Zustände verharmlost

betr.: „Die glücklichen Kinder der Revolution“

Der Bericht offenbart eine nicht entschuldbare Blauäugigkeit und Verharmlosung der Zustände in diesem Land. Nach wie vor sind Dissidenten ohne rechtstaatliche Verfahren inhaftiert, unter oft unmenschlichen Bedingungen. Von den belegbaren andauernden Menschenrechtsverletzungen in diesem scheinbaren Paradies kann sich jeder ein Bild machen, zuletzt zum Beispiel im Jahresbericht von amnesty international vom 24. 5. 07.

Keine Frage, dass die Politik der USA die Hauptverantwortung für die wirtschaftlichen Zustände auf der Insel trägt, dass Bildung und medizinische Versorgung besonders für ein lateinamerikanisches Land vorbildlich sind und dass auch oppositionell gestimmte Kubaner mit Recht darauf stolz sind. Unvoreingenommenen Besuchern Kubas, gerade solchen, die ein Bild Che Guevaras zu Haus an der Wand oder in ihrem Kopf bewahrt haben, begegnet jedoch eine frustrierend andere Wirklichkeit, als sie Lottmann zu genießen scheint. Er kennt offenbar ein anderes Havanna und Berlin.

Mir jedenfalls wurden in Havanna, aber noch nie in Berlin auf Schritt und Tritt Dienste schöner Frauen offeriert, manchmal von Mutter und Tochter gleichzeitig. Keine Bettler? Aber doch häufig genug Bitten um wenigstens eine Cola oder ein paar Dollar, immer mit vorsichtigem Blick auf die omnipräsente Polizei. Was ist aus diesem Land vieler Hoffnungen geworden – ein Staat, der alles außerhalb staatlich kontrollierter Zeitungen und Fernsehsender kriminalisiert – außer in den bekannten Touristenghettos.

HANS-JÖRG SCHNEIDER, Saarbrücken