Alte Hinweise, neue Ermittlungen

KLINIK- TODE

Nicht nur in Delmenhorst, auch im Klinikum Oldenburg sind unter den Händen von Niels H. Menschen ums Leben gekommen: Der Krankenpfleger wird verdächtigt, dort zwölf PatientInnen durch eine Überdosis Kalium getötet zu haben.

Daneben hat die Staatsanwaltschaft Osnabrück am Donnerstag Ermittlungen gegen zwei Dezernenten der Staatsanwaltschaft Oldenburg aufgenommen: Hätten die 2006 weiter ermittelt, wäre der Tod von fast 200 PatientInnen heute vielleicht aufgeklärt. Zahlreiche Indizien deuteten bereits damals darauf hin, dass H. allein im Klinikum Delmenhorst 177 Menschen getötet haben könnte.

So aber wurde der Pfleger 2008 zwar wegen eines versuchten Mordes verurteilt. Wegen weiteren dreifachen Mordverdachts sowie zweier versuchter Morde steht der 37-Jährige aber erst jetzt vor Gericht – und erst jetzt werden 174 weitere Todesfälle aus Delmenhorst untersucht. Dort tötete H. mit dem Herzmedikament Gilurytmal, das bei Überdosierung zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen führt.

Während H.s dreijähriger Dienstzeit in Delmenhorst verdoppelte sich dort die Zahl der Todesfälle, die Zahl der Gilurytmal-Bestellungen schnellte gar auf mehr als das Siebenfache hoch. Stutzig machte beides offenbar niemanden im Klinikum. Auch die Staatsanwaltschaft nahm weder diese Zahlen noch die Aussage des ehemaligen Oberarztes Kurt Schwender zum Anlass, weiter zu ermitteln. Schwender hatte nach H.s Verhaftung 2005 ausgesagt, dass der Krankenpfleger für eine Vielzahl von Todesfällen verantwortlich sein könnte.

Nun wird H. auch noch des Mordes an zwölf PatientInnen im Klinikum Oldenburg verdächtigt. Dort hatte er von 1999 bis 2002 gearbeitet, ehe er nach Delmenhorst ging. Beliebt war er nicht, denn er brüstete sich mit seinen Fähigkeiten und spielte nach jeder erfolgreichen Reanimation den Helden. Für sein unangemessenes Verhalten wurde ihm gekündigt, er erhielt gleichwohl ein makelloses Arbeitszeugnis, mit dem er problemlos eine neue Stelle bekam.

Auch die weiteren Arbeitsstellen von H. werden jetzt von der Polizei-Sonderkomission „Kardio“ überprüft. Und wegen möglicher Versäumnisse der Staatsanwaltschaft fordert die Deutsche Stiftung Patientenschutz nun einen Untersuchungsausschuss. In einem Brief an die vier Fraktionen im Niedersächsischen Landtag schrieb Stiftungsvorstand Eugen Brysch am Freitag: „Wo es erhebliche Zweifel gibt, ob die Justiz zu einer wirksamen Aufklärung in der Lage ist, muss aus meiner Sicht die Politik die Ermittlungsarbeit übernehmen.“  SCHN