„Lebenslang“ für Yagmurs Mutter

MORD-PROZESS

Aus Sicht der Richter ist Melek Y. des Mordes aus Grausamkeit schuldig: Zu lebenslänglicher Haftstrafe verurteilte das Hamburger Landgericht am Dienstag die 27-jährige Mutter der kleinen Yagmur, die vor knapp einem Jahr, am Morgen des 18. Dezember 2013 in der elterlichen Wohnung für tot erklärt wurde. Dem damaligen Obduktionsbericht zufolge wies der Leichnam der Dreijährigen mehr als 80 äußere Verletzungen auf, dazu unter anderem einen Leberriss.

Melek Y., so befand jetzt das Gericht, habe ihre Tochter so brutal und häufig auf Kopf und Bauch geschlagen, dass sie den Tod des Kindes in Kauf genommen habe. Der Vater, Hüseyin Y., wurde zu vier Jahren verurteilt – weil er seine Tochter nicht beschützt habe. Das Gericht stützte sich neben rechtsmedizinischen Gutachten auch auf hunderte von Whats-App-Nachrichten, die das Ehepaar vor dem Tod des Kindes ausgetauscht hatten. Darin bat Hüseyin Y. seine Frau, sich wegen ihrer Aggressionen therapeutische Hilfe zu holen. Ihre Antwort: „Sag denen nicht, dass ich mein Kind schlage.“ An anderer Stelle droht sie: „Und wenn du dich so böse verhältst, lasse ich meine Wut an Yagmur aus.“

Melek Y. hatte diesen Chat-Verlauf noch auf dem Weg zum Polizeiverhör gelöscht und schwieg vor Gericht. Zuvor hatte sie indes gegenüber Ermittlern erklärt, ihr Mann sei der Täter und habe die belastenden Chat-Nachrichten zusammen mit Freunden manipuliert.

Die Anwältin von Melek Y. kündigte an, sie prüfe eine Revision: Es bestünden Zweifel an der aktiven Tatbeteiligung der Mutter. Auch die Staatsanwaltschaft ließ die Möglichkeit einer Revision offen: Sie hatte auf Mord plädiert und die Berücksichtigung der besonderen Schwere der Schuld gefordert; dann hätte Melek Y. nicht die Chance, nach 15 Jahren Haft in Freiheit zu kommen. Dem aber schloss sich das Gericht nicht an: Laut Gutachten sei die Angeklagte zwar schuldfähig, habe aber eine „psychische Disposition“, welche die Tat begünstigt habe.

Nicht zuletzt beschäftigte der Fall Yagmur die Hamburger Politik, denn er dokumentiert ein kollektives Versagen der Behörden. Im August 2013 war Yagmur aus einem Schutzhaus wieder in die Obhut der Eltern gegeben worden – obwohl diese verantwortlich waren für die Misshandlungen, wegen derer das Kind überhaupt aus der Familie genommen worden war.

Die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt deshalb auch, ob sich Amtsträger, die mit Yagmurs Fall betraut waren, strafbar gemacht haben: „Wir haben die Beweisaufnahmen im Hauptverfahren abgewartet“, sagte jetzt eine Sprecherin, „und führen das Ermittlungsverfahren nun weiter fort.“  KAJ