Jagdszenen auf Rügen

FREIZEITGESTALTUNG Rote Karte für den Dinosaurier-Park Putbus

„Täuschend echte Todesschreie! Spannung! Action! Freigetränke!“

Es sollte das Ereignis eines verregneten Sommers werden, eine Glanznummer, ein Clou, eine Klimax, der einsame Höhepunkt einer ringsumher sonst vollkommen verflachten Kulturlandschaft – die Eröffnung des großen Dinosaurierparks im verträumten Städtchen Putbus auf der Ostseeinsel Rügen. „Come gather ’round people wherever you roam“, hatte es in den Flyern geheißen, die zu Tausenden auf dem weltabgeschiedenen Eiland verteilt worden waren. „Der DINO-PARK PUTBUS öffnet seine Pforten! Lebensechte Nachbildungen der gefürchteten Urzeit-Monster! Reißzähne – Klauen – Schildpanzer – Jagdszenen – Blut! Knochenfundstätten zum Selbergraben! Horror pur zum Anfassen für Jung und Alt! Faszinierende Ausstellungsobjekte! Täuschend ähnlich nachgemachte Todesschreie! Spannung! Action! Freigetränke! Dino-Tombola! Ein Riesenspaß für die ganze Familie! Eintritt nur 20 Euro!“

Wie es hieß, war im Vorfeld auch eine „wissenschaftliche Beratung“ durch Archäologen des mecklenburgischen Landesmuseums erfolgt. Wie diese „Beratung“ ausgesehen haben soll, ist unklar. Hier hat sich jedenfalls niemand mit Ruhm bekleckert. Doch der Reihe nach: Bereits der Anmarsch erwies sich als Zumutung, denn wer der offiziellen Wegbeschreibung folgte, der landete in einer Laubenpieperkolonie und musste sich auf lehmigen Trampelpfaden zu einer kleinen Gartenparzelle durchkämpfen, die auf dem Übersichtsplan als „Dino-Park“ gekennzeichnet war. Schon nach kurzer Zeit hatte sich dieses Gärtchen mit hunderten von Ausflüglern gefüllt, die sich entgeistert fragten, wo denn nun wohl die versprochenen Dinosaurier steckten. Sofern man überhaupt etwas anderes als dicht gedrängt umherstehende Menschen sah, erblickte man nur eine holzverschalte Hütte, eine Wippe, zertretene Grassoden, ein vernachlässigtes Zwiebelbeet, einen Komposthaufen und vereinzelte Johannisbeersträucher. Dinos? Fehlanzeige! Gegen Mittag erschien eine ungekämmte Weibsperson auf der Bildfläche und verkaufte „Tickets“ für die sogenannte Eröffnungsfeier, die um 13 Uhr mit einem Feuerwerk und einem „internationalen Showprogramm“ beginnen sollte. Die meisten Besucher, die ja immer noch auf eine erfreuliche Wendung der Dinge hofften und zum Teil von weither angereist waren, ließen sich dann auch nicht „lumpen“, sondern zahlten brav die geforderte Summe. Aus Zeitgründen zog sich der Kartenverkauf bis zum mittleren Nachmittag hin, ohne dass auch nur eine einzige der vielen Attraktionen sichtbar geworden wäre. Im sprichwörtlichen „Sande“ verlief zudem das Warten auf die angekündigten Freigetränke, und so war es sicherlich kein Wunder, dass allmählich ein gewisser Unmut um sich griff, zumal ab 17.20 Uhr ein stetiger Nieselregen niederging und das gesamte Areal in einen besseren Schweinekoben verwandelte.

Das berühmte „Woodstock-Feeling“ mochte sich darob nicht einstellen. „Mein Mann und ich, wir hatten außer unsern eigenen vier Kindern noch drei Nachbarjungs dabei, den Christopher, den Torben und den Yannick, und zusammen mit den Fahrtkosten, dem Eintrittsgeld und allen Ausgaben für Kost und für Logis sowie für Reinigung und Reparatur der ruinierten Kleidung sind wir alles in allem auf annähernd 300 Euro Auslagen gekommen“, sagt Annemie Kyrietz, die Sprecherin der spontan ins Leben gerufenen Selbsthilfeorganisation enttäuschter Dino-Park-Besucher. „Belogen und betrogen hat man uns! Nach Strich und Faden! Und die allergrößte Frechheit war es dann ja noch, dass die Betreiber zur Entschädigung für das entgangene Vergnügen hinterher so einen läppischen, kaum fünf Zentimeter großen Gummidinosaurier herumgereicht haben!“

Dieses unscheinbare Spielzeugtier ist mittlerweile von der Kripo sichergestellt worden. Es handelt sich um einen in China fabrizierten Diplodocus mit einem Tauschwert von ungefähr 1,25 Euro. Bei einer staatsanwaltschaftlich genehmigten Durchsuchung des Grundstücks konnte kein weiterer Gegenstand lokalisiert werden, der die Bezeichnung „Dino-Park“ für den betreffenden Schrebergarten gerechtfertigt hätte.

Seither mehren sich die Stimmen derer, die einen Rücktritt des Bürgermeisters verlangen. Für den kommenden Mittwoch ist ein Fackelzug von der Kleingartensiedlung zum Markplatz in Putbus geplant.

GERHARD HENSCHEL