ALTE MEISTER
: Die Keusche mit dem Silberblick

Was für eine Frau: Umberto Eco würde am liebsten mit ihr und keiner sonst essen gehen, die Zeit flocht ihr erst kürzlich wieder eine Girlande als „keuscher Heiligen“ und „ewigen Verführerin“, den Nazis galt sie als „role model“, das auf Durchhalteliteratur der SS glänzte, und Werbung für Schuhe hat sie auch schon gemacht. Dass sie schon fast 1.000 Jahre tot ist, hat dabei nie gestört: Selten ist eine Frau so vereinnahmt worden wie Uta von Ballenstedt (ca. 1000–1046), was weniger daran liegt, dass, sondern wie sie ein bis heute unbekannter Meister aus Stein gehauen und vor rund 750 Jahren im Naumburger Dom aufgestellt hat. Kühl, beherrscht und elegant steht die sächsische Markgräfin da mit ihrem hochgeschlagen Mantel im Rund der berühmten Stifterfiguren. Gatte Ekkehard mit Doppelkinn daneben kann dagegen schlecht anstinken. Flirtet sie wirklich mit Ekkehards Bruder an der Westchorsäule gegenüber? Oder zeugt der leichte Silberblick eher von heutzutage leicht zu therapierender Kurzsichtigkeit?

Die Landesausstellung Sachsen-Anhalt (www.naumburgermeister.eu) beleuchtet bis zum 2. November das Dunkel, das den Meister von Naumburg umgibt – und geht der Rezeptionsgeschichte der Uta auf den Grund: Goethe übersah sie noch und moserte über den zugig-kalten Dom, dieses „unerfreuliche Heiligthum“. Doch schon im 19. Jahrhundert beginnt der Uta-Kult, der gleich fatal nationale Züge bekam. Dass Wilhelm Zwo die Dame eins zu eins in Gips kopieren lässt, um sie der Havard University für ein „Germanic Museum“ zukommen zu lassen, ist dabei noch harmlos. Der Slogan, „Des Lebens echter Stempel ist der Schmerz“, mit dem die Pharmafirma Schering 1935 für ein solch linderndes Pülverchen warb, zeugt aber schon, wo die schwer verkitscht-völkische Reise hingeht: 1937 muss Uta in der Ausstellung „Entartete Kunst“ NS-genehme Sauberkeit repräsentieren, 1940 ist sie Komparsin in einem der menschenverachtendsten Propagandamachwerke des Dritten Reichs, Fritz Hipplers „Der ewige Jude“. Dabei passt Uta schon auf den ersten Blick nicht zum Frauenbild der Nazis, „arisch“ ist da wenig, und von der „deutschen Mutter“ konnte eh keine Rede sein: Die Ehe von Ekkehard und Uta blieb kinderlos.

Einer scheint das früh erkannt zu haben. Zwar ist nicht mit letzter Klarheit gesichert, ob Walt Disney bei einem Europabesuch 1935 wirklich in Naumburg war, doch wer der bösen Stiefmutter aus Disneys „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ (1937) ins Gesicht guckt, erkennt ihn wieder, diesen beherrscht-eleganten Silberblick. STEFFEN GRIMBERG