„Bill“ sagen und schweigen

Die Aufnahmen des Fotografen William Eggleston prunken mit Farbe und Leerstellen – das war seinerzeit Skandal und Blasphemie. Der Porträtfilm „By the ways“ findet hierfür keine Entsprechung

VON BRIGITTE WERNEBURG

William Eggleston, 1939 als Sohn eines Baumwollfarmers in Memphis/Tennessee geboren, machte 1976 mit seiner ersten Einzelausstellung im Museum of Modern Art zunächst Skandal und dann Geschichte. Denn mit „William Eggleston’s Guide“ hielt erstmals ein ausschließlich farbfotografisches Werk Einzug in die heiligen Hallen der Moderne. Die laut New York Times „meistgehasste Schau“ war reine Blasphemie. Lästerlich war nicht nur die Absage an das Schwarzweiß der Kunstfotografie, die Eggleston schon Mitte der 60er-Jahre getroffen hatte. Sündhaft war auch die Wahl der alltäglichen, banalen Bildmotive. Sollten sie, so fragten sich die Betrachter, jetzt Amateuraufnahmen als Kunst bewundern, nur weil die – bei Farbe unwillkürlich erwartete – Familie auf den Fotos fehlte?

Es scheint also nur stimmig, wenn Vincent Gérard und Cédric Laty ihren Dokumentarfilm über William Eggleston damit eröffnen, wie er im Off die Farbe als sein erstes und größtes Interesse an der Fotografie benennt. Leider verliert „By The Ways“ diese anfängliche Stimmigkeit schnell. Schon das Versprechen des Auftaktinterviews mit Rosalind Solomon bleibt uneingelöst. Auf Anregung von John Szarkowski, der Egglestons Skandalausstellung kuratiert hatte, suchte Solomon, selbst eine große Fotografin, 1977 den Urheber des Skandals in seinem Heimatort auf und fotografierte ihn. Entsetzlich attraktiv, gefährdet und schutzbedürftig sei er ihr erschienen, bekennt sie – und wie sie die Art beeindruckte, mit der er sich rückhaltlos preisgab; wie fasziniert sie war von seiner und seiner Freunde Dekadenz. Natürlich ist es eine Herausforderung, von diesen Sätzen eine filmische Vorstellung zu vermitteln, und sei es nur by the way.

Doch Eggleston selbst ist zurückhaltend. Gut, mit Vernon Richards, seinem brother in crime, mokiert er sich über die Verschreibungspflicht früher frei erhältlicher Substanzen. Letztlich muss man ihr Geplauder missverstehen, sofern man nichts von dem Junkie weiß, der der Southern Gentleman aus reichem Haus einmal war. Und ja, die Geschenke, die seine Frau Rosa ihm machte, das Rolls Royce Cabriolet, Baujahr 1956, oder der Ferrari, dürften wohl unter „dekadent“ rangieren. Dennoch, die Auskünfte aus Egglestons Umfeld bleiben mager. Den Höhepunkt markiert dabei Dennis Hopper, der mit einem tiefen Zug an der Zigarre groß ausholt, um es dann bei einem bedeutungsvollen „Bill“ und Schweigen zu belassen.

David Byrnes Talking-Head-Amüsement über den Auftragsfotografen Eggleston, der dem Rolling Stone Magazine nicht die erwarteten Bilder lieferte, führt dagegen in die Irre. Schließlich wird Eggleston genau dafür gebucht, dass er Erwartungen enttäuscht. Dass er seine Motive an den Rändern des eigentlichen Geschehens findet, gilt als sein Stil, der sich formal sogar in den Aufnahmen selbst wiederfindet. Denn gegenläufig zum eng gewählten Ausschnitt prunken seine Bilder, besonders in ihrem Zentrum, mit Leerstellen, an deren Rand erst der eigentliche Bildgegenstand auftaucht.

Seiner Informationsarmut gleichen die Bilder des Films nicht. Der angestrengt-undurchschaubare Mix aus Autofahrten, Eggleston-Fotos, Landschafts- und Innenaufnahmen verfehlt eine wenigstens atmosphärische Erzählung. Unglücklicherweise fehlt Vincent Gérard und Cédric Laty die Beiläufigkeit, die ihr Filmtitel „By The Ways“ ins Spiel bringt. Deshalb schaut „By The Ways“ nun peinlich nach Kunst aus, während Egglestons Kunst mit dem trivialen Alltag reizt.

„By the ways“. Regie: Vincent Gérard, Cédric Laty, Frankreich/USA 2005, 87 Min., bis 18. 7. in der Brotfabrik