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: Fakten statt Kaffeesatzleserei

Die Tour de France rollt. ARD und ZDF fahren mit. Sie wollten kritische Beobachter sein. Wenn es um die deutschen Teams geht, fehlt aber immer noch jegliche Distanz

„Sprinterwallfahrt nach Canterbury.“ Mit schönster Radsportprosa begrüßte die Website des ZDF die Radsportgemeinde. Wer es gestern nicht abwarten konnte, bis um 15 Uhr endlich die TV-Übertragung der ersten Etappe der Tour de France begann, war gut auf gehoben auf www.zdf.de. Radsportbegeisterung pur. So als hätte es all die Doping-Enthüllungen der letzten Wochen nicht gegeben.

Vor dem Tour-Start war viel von journalistischer Herausforderung die Rede. Gerade weil Doping ein derart wichtiges Thema sei, müsse man die Rundfahrt übertragen. Die ARD-Kommentatoren Florian Kurz und Michael Naß bemühten sich denn auch redlich, zu jedem Profi, dessen Name schon einmal in Zusammenhang mit Dopingverdächtigungen gefallen ist, die entsprechenden Informationen zu geben. Natürlich wissen sie, dass für den Radsport, was das Thema Doping betrifft, die Unschuldsvermutung schon lange nicht mehr gilt. „Wir können keine Kaffeesatz-Leserei betreiben“, sagten sie mehrere Male und kündigten an, aus übergroßen Vorsprüngen, aus einem allzu entspannten Gesichtsausdruck, aus den Bildern von durchtrainierten Waden keine Rückschlüsse auf eventuelles Doping zu ziehen. Sie müssten sich an Fakten halten, so Naß und Kurz. Und wenn der eine einmal einen Rückfall erlitt und sich an Wahnsinnszeiten und Allzeitrekorden delektierte, holte der andere ihn wieder auf den Boden zurück. Heulsuse Erik Zabel hat in London seine 13. Tour begonnen – deutscher Rekord. „Bis dato hielten Zabel und Udo Bölts den Rekord gemeinsam“, so Kurz. Naß daraufhin: „Und beide waren gedopt. Herzlichen Glückwunsch!“ Ja, sie wollten kritisch sein. Und doch haben sie es nicht immer geschafft.

Moderator Michael Antwerpes hatte am Ende der Übertragung die Teamchefs der ach so guten deutschen Rennställe vor dem Mikrofon. T-Mobiles Bob Stapleton und Gerolsteiners Hans-Michael Holczer durften sich als Heilige der Radsportszene präsentieren. Letzterer lobte den verkommenen internationalen Radsportverband UCI in den höchsten Tönen. Widerspruch? Nachfrage? Fehlanzeige.

Und wo war eigentlich ARD-Doping-Experte Hajo Seppelt? Der wurde nicht gesehen am Samstag. Oder war der Autor dieser Zeilen während der fast dreistündigen Sendung zu oft auf’m Klo? ANDREAS RÜTTENAUER