Deutschland sucht den Superbilliglehrer

Industrie und Kultusminister küren die besten Lehrer Deutschlands – und speisen sie mit einem Händedruck ab

Ich liebe meine Schüler. So oder so ähnlich heißt das Geheimnis der besten deutschen Lehrer. 79 von ihnen stehen seit gestern im Netz. Sie haben den Deutschen Lehrerpreis gewonnen. „Ich achte meine Schüler“, verrät Ullrich Dinter von der Gesamtschule Köln-Chorweiler. Sein Kollege Dirk Lundberg aus dem Melanchthon-Gymnasium in Bretten sagt: „Ich nehme sie ernst.“ Und Nicole Schüttauf, Gymnasiallehrerin aus Moers, drückt es so aus: „Ich nehme meine Schüler als Menschen wahr.“

Es klang fast ein bisschen kitschig, was die Lehrer da bei der Preisgala am Wochenende im Berliner Museum für Kommunikation von sich gaben. Aber es waren wirklich witzige, aufgeweckte, selbstbewusste Typen. Die so gar nicht das Klischee jener besserwisserischen und zugleich entnervten Pauker bedienten.

Insofern ist der Lehrerpreis wichtig. Weil er erkennbar macht, was für tolle Lehrer es gibt. Weil er einem Berufsstand Hoffnung gibt, den Hoffnungslosigkeit umweht. Repräsentative Studien zeigen, dass 60 Prozent der Lehrer frustriert sind. Und von den nicht frustrierten ist mehr als die Hälfte glücklich, nicht weil ihnen Schule Spaß macht, sondern weil sie ihre Selbstverwirklichung außerhalb ihres gut bezahlten Halbtagsjobs suchen.

Es gibt allerdings auch eine andere Sichtweise auf den Lehrerpreis, den ein Verein von Unternehmen und Kultusministern herausgibt. Der Club kann getrost als eine Versammlung von Dilettanten bezeichnet werden. Außer Pisa-Boss Jürgen Baumert und einem Studiendirektor a. D. hat keiner aus der 16-köpfigen Jury irgendein Fachwissen, um als Gutachter aufzutreten. So wurden denn auch 42 Gymnasiallehrer zu Bestarbeitern erklärt, aber nur 3 Haupt- und Grundschullehrer.

Diese laienhafte Unbeschwertheit setzte sich in den Lobreden auf die Lehrer fort. Klaus Kleinfeld, soeben abgelöster Chef der Chefs von Siemens, kokettierte erst zerknirscht mit seinem schlechten Gewissen, sich nie bei seinen Lehrern bedankt zu haben; und mit den Schandtaten, die er Lehrern angetan hätte. Er belobigte wie alle anderen die Preisträger immerfort dafür, dass sie lediglich symbolisch für alle knapp 800.000 deutschen Lehrer hier seien. Das kam derart penetrant, dass sich die anwesenden Lehrer unwohl fühlen mussten – offenbar waren sie persönlich ja gar nicht gemeint.

Für diese Sichtweise gab es noch ein starkes Indiz: Die Lehrer bekamen als Anerkennung für ihre tolle Leistung – nichts, nicht mal einen Büchergutschein oder Zuschuss für Klassenfahrten. Mit einer Urkunde und zwei Kugelschreibern mussten sie sich zufrieden geben. Die Spindoctors der Sponsoren des Preises – darunter, Achtung!, Bahn, BMW, Post, Siemens, Vodafone etc. – redeten sich hinterher den Mund fusselig, dass die Variante Superschnäppchenlehrer bewusst gewählt worden sei. „Die Lehrer haben uns gebeten“, raunte Kleinfeld, „kein Geld! Das bringt nur Unruhe ins Kollegium.“

Die Lehrer konnten da nur schmunzeln: „Ich ahnte schon, dass wir hier missbraucht werden“, sagte nicht nur einer. 13 der 79 Superlehrer blieben konsequenterweise der Ehrung fern.

Man muss sich über einen solchen Geiz-ist-geil-Lehrerpreis nicht empören. In Deutschland ist es völlig normal, dass das Reden über Bildung moraltriefend, der reale Aufwand dafür aber karg ist. 45 Milliarden Euro fehlen im deutschen Bildungssystem, gemessen an den ehrgeizigen Budgets der skandinavischen und asiatischen Bildungstiger.

Nein, wirklich ätzend am Lehrerpreis ist etwas anderes. In Wahrheit ist er gar nicht für die Lehrer da. Er dient dazu, eine selbstzufriedene Pro-Bono-und-Charity-Society zu begründen, allen voran die sogenannte „Vorstandsvorsitzende“ des Lehrerpreises, Susanne Porsche. Ach Gottchen, wie man sich gegenseitig huldigte, dass die Susanne ihre besten Freunde zusammengebracht hat, um Mitleid für die armen Lehrerchen zu organisieren. ChiChi, Bussi hier und Küsschen da, die versammelten Lämpels gaben eine dankbare Kulisse für den kleinen Geldadel ab.

Deren Reden waren endlos; die Preisträger jedoch wurden wie störrische Esel im Eilschritt über die Bühne gezerrt. „Sind endlich alle durch“, raunzte Moderator Thomas Kausch einmal, als die Urkundenaushändigung bei der ersten Charge gerade stockte.

„Die Arbeitsbedingungen der Lehrer werden durch den Preis ab morgen ein bisschen besser“, verkündete ein Sprecher. Das wäre schön. Ist aber bei der derzeitigen Konstruktion des Lehrerpreises weder für die abgespeisten Vorzeigepädagogen noch für ihre namenlosen, gemobbten, ausgebrannten Kollegen zu erwarten. Eine gute Gelegenheit immerhin, den nächsten Lehrerpreis anders zu organisieren. CHRISTIAN FÜLLER