Moskaus erfolgreiche „Wunderwaffe“

Der 88-jährige Michail Kalaschnikow mit einem Exemplar der von ihm erfundenen gleichnamigen Waffe. In der vergangenen Woche wurde das Sturmgewehr 60 Jahre alt FOTO: AP

Der „Stolz aller Kämpfer auf der Welt“, schwärmte Jassir Arafat vor Jahren. Die Eloge des verstorbenen Palästinenserführers galt dem Sturmgewehr AK-47, russisch awtomat kalaschnikowa. Heute vor 60 Jahren ging die sowjetische Massenvernichtungswaffe bei den Rüstungswerken Ischmasch im Ural in Serienproduktion. Seither wurden über 100 Millionen Exemplare der Originalversion hergestellt. Rund 60 Armeen rüsten ihre Infanterie mit dem unverwüstlichen, leicht handhabbaren Sturmgewehr aus.

Weit mehr Bekanntheit erreichten indessen Terroristengruppen, Guerilla-und Rebellenbewegungen, die die Kalaschnikow zum Symbol ihres Kampfes erkoren. In Angola zierte die AK-47 nach dem Unabhängigkeitskrieg die nationale Währung und in Mosambik die Staatsflagge. Ihr Erfinder Michail Kalaschnikow bescherte der UdSSR das erfolgreichste Exportprodukt ihrer Geschichte und die wirksamste Waffe aller Zeiten. „Massenvernichtungswaffe in Zeitlupe“ nannte sie Ex-UN-Generalsekretär Kofi Annan. 1.300 Menschen sterben täglich in ihren Salven. Auf das Konto der AK-47 vom Kaliber 7,62 Millimeter gehen mehr Opfer, als Atom- und Biowaffen jemals verursacht haben.

Die Idee eines Sturmgewehrs kam dem Erfinder 1944 in der Schlacht von Brjansk, als er mit ansah, wie Kameraden im Kugelhagel deutscher Sturmgewehre umkamen. Im Zweiten Weltkrieg kam die AK-47 nicht mehr zum Einsatz. Den Sowjets war aber klar, dass die geniale Erfindung zur wichtigsten Waffe der Nachkriegszeit aufsteigen würde. Sowjetische Soldaten trugen die Waffe daher in eigens angefertigten Futteralen, die die Form der Maschinenpistole nicht preisgaben.

Auch war es streng verboten, leere Magazine einfach liegen zu lassen. Die neue Munition sollte ein Geheimnis bleiben. Paradox: Die Erfindung der Atombombe und das gegenseitige Abschreckungspotenzial der beiden Supermächte brachten die Kalaschnikow erst richtig zu Ehren. In den Stellvertreterkonflikten des Kalten Krieges spielt die AK-47 eine entscheidende Rolle. US-Soldaten standen der effektivsten Vernichtungswaffe erstmals im Vietnamkrieg gegenüber und mussten schwere Verluste hinnehmen. Der Vietcong war von den Sowjets mit dem Schnellfeuerkarabiner ausgerüstet worden waren. Die AK-47 avancierte zum Sturmgewehr des Kommunismus schlechthin.

Russische Schüler lernen noch heute im Wehrkundeunterricht, das tschudo – Wunder – in Windeseile zu zerlegen und wieder zusammenzusetzen. 2004 zeichnete der Playboy die AK-47 als eines der „50 Produkte aus, die die Welt veränderten“, gefolgt von der Antibabypille. KLAUS-HELGE DONATH