Übertragung durch den Mauserzug

Vogelgrippe im Sommer? Ohne Zugvögel? Vier Fragen und vier Antworten zu den aktuellen Fällen

BERLIN taz ■ Im vergangenen Jahr haben die Deutschen viel über die Vogelgrippe gelernt. Doch die aktuellen Fälle stellen dieses Wissen in Frage. Schließlich setzen derzeit weder kalte Witterung noch Zugvögelschwärme dem Geflügelbestand zu. Warum also jetzt? Und was bedeutet das? Die taz gibt Antworten.

1. Warum taucht die Vogelgrippe im Sommer auf?

Zwar zeigte sich auch Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) überrascht. Doch auch er ging wie seine Experten vom Loeffler-Institut auf der Insel Riems davon aus, dass das Virus nach dem letzten großen H5N1-Ausbruch im Winter 2005/2006 auf Rügen nicht vollständig verschwunden war. Die Experten hielten es für höchst wahrscheinlich, dass H5N1 auch weiterhin unerkannt in den Wildvögelpopulationen lebte. Mit einem erneuten Ausbruch musste demnach immer gerechnet werden. Das Virus kann zwar bei höheren Temperaturen zum Beispiel in Exkrementen nicht so lange überleben wie im Winter, eine Weiterverbreitung ist aber auch unter sommerlichen Bedingungen möglich.

2. Bislang hieß es, dass Zugvögel das Virus nach Deutschland mitbringen. Die sind aber längst da. Warum werden jetzt neue Fälle gemeldet?

Obwohl inzwischen viele Daten über die Verbreitungswege des H5N1-Virus vorliegen, tappen die Experten, was die Ursachen konkreter Infektionen angeht, oft noch im Dunkeln. So ist es auch bei den aktuellen H5N1-Infektionen. Genetische Vergleichsuntersuchungen haben ergeben, dass die Virusstämme aus Nürnberg und Leipzig eine sehr große Ähnlichkeit haben mit den Stämmen, die aus den in Tschechien infizierten Truthähnen isoliert wurden. Für das Friedrich-Loeffler-Institut ist das ein klarer Hinweis darauf, dass die drei Viren einen „gemeinsamen, bisher nicht identifizierten Ursprung“ haben. Da derzeit kein Vogelflug mehr stattfindet, wird ausgeschlossen, dass das Virus durch Wildvögel über weite Strecken verbreitet wird. Eine Verbreitung zwischen nahe beieinanderliegenden Regionen durch Wildvögel aber ist möglich. Denn einige Vogelarten, Enten etwa oder Schwäne, wechseln beim sogenannten Mauserzug derzeit ihre Standorte.

3. Die Gans in Thüringen wurde viel gestreichelt. Erhöht das das Infektionsrisiko?

Jeder Kontakt mit H5N1-infizierten Tieren sollte vermieden werden. Noch ist die Vogelgrippe eine Tierseuche. Doch auch für Menschen kann das Virus tödlich sein. Weltweit sind in den letzten Jahren über 200 Menschen an einer H5N1-Infektion gestorben. In fast allen Fällen hatten die Betroffenen engen Kontakt mit infizierten Tieren. Eine direkte Weitergabe des Virus von Mensch zu Mensch hingegen wurde noch nicht nachgewiesen.

4. Wie weit ist die Entwicklung eines Impfstoffs?

In einigen Ländern werden bei Tieren bereits Impfstoffe gegen die Vogelgrippe eingesetzt. Auch bei uns werden Impfkampagnen als Alternative zum Massentöten von Geflügelbeständen in Infektionsgebieten gefordert. Viele Experten lehnen das aber ab. Denn es gibt keinen markierten Impfstoff, sodass nicht zwischen geimpften und infizierten Tieren unterschieden werden kann.

WOLFGANG LÖHR