Im Monarch: Mutti Punk
Viv Albertine? Genau, die Viv Albertine, die im heißen Sommer 76 mit den Sex Pistols herumhing, mit Sid Vicious in einem besetzten Haus wohnte und später die erste Frauen-Punk-Band, die Slits gründete, von der es das berühmte LP-Cover gibt mit den drei nackten, im Schlamm wühlenden Bandmitgliedern. Die Legende Viv Albertine spielt im Monarch. Wow, denke ich, da gehe ich hin.
Viv Albertine hat einen braven Mutti-Haarschnitt, trägt dunkle Jeans und ein T-Shirt in der gleichen Farbe, ist also nicht sehr glamourös. Denke ich, aber dann zieht sie sich auf der Bühne das T-Shirt über den Kopf, und darunter kommt ein mit Glitzerpailletten besticktes durchsichtiges Etwas zum Vorschein.
Dann sagt sie zur Begrüßung, sie sei Asthmatikerin, die Leute sollten bitte nicht rauchen. Aber statt der Stimme versagt dann die Anlage. Es krächzt gewaltig aus den Boxen. Sie sagt, der Techniker solle was dagegen tun, der Techniker sagt, es läge an ihr, was sie aber nicht glaubt. Das Krächzen ist der Höhepunkt des Konzerts, denn die Songs hören sich an wie launiges Gitarrengeschrammel mit Kunstanspruch, also mit vielen eintönigen Wiederholungen und einer kieksigen Stimme zum Weglaufen. Sie singt, dass es keine Liebe gibt, dass Männer Idioten sind und Beziehungen doof. Nicht gerade anspruchsvolle Erkenntnisse, die sie aus ihrer immerhin 18 Jahre währenden, unglücklichen Ehe gewonnen hat, die sie als Grund für ihre Songs aber auffällig häufig erwähnt.
Das Konzert dauert nicht lange. Das immerhin ist tröstlich. Ein letzter Zug von der Zigarette noch, ein letzter Schluck. Draußen gehe ich an Kaiser’s vorbei, der noch offen hat. Vor ihm sitzen betrunkene Punks. Sie haben keine Ahnung, wer Viv Albertine ist. Sie haben nichts verpasst. Auch ich hätte es wissen können: Die wenigsten Legenden halten, was sie versprechen.
KLAUS BITTERMANN
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