Gebrochenes Schweigen

RUSSLANDDEUTSCHE Im Rathaus Marzahn informiert eine Ausstellung über die Geschichte der Deutschen in der Sowjetunion und ihre Migration nach Berlin

Ein Lager. Das Modell sieht beklemmend aus. Elektrisch geladene Stacheldrahtzäune hindern die Insassen am Weglaufen. In den Baracken aus Holz und Moos gibt es nichts als Doppelstockpritschen und eine Feuerstelle. Das Modell eines Lagers der „Trud-Armee“ (Arbeitsarmee) steht in der Dauerausstellung „Das gebrochene Schweigen“ zur Geschichte der Russlanddeutschen im Rathaus Marzahn. Ein Handwerker hat es nach Berichten von Überlebenden gestaltet.

Die Ausstellung dokumentiert die Geschichte der Russlanddeutschen, seit Zarin Katharina die Große im 18. Jahrhundert Ausländer ins Land holte. Zu Beginn waren die Deutschen privilegiert. Sie fielen nicht unter die Leibeigenschaft, die in Russland erst 1861 abgeschafft wurde. Doch schon unter den letzten Zaren wurde die deutsche Minderheit diskriminiert. Als Hitler 1941 in die Sowjetunion einfiel, stellte Stalin die Russlanddeutschen unter den Generalverdacht der Kollaboration. Am 28. August 1941 verfügte er ihre Massendeportation nach Sibirien, wo 350.000 später in Lagern Zwangsarbeit verrichten mussten. Unzählige kamen um. Alle deutschen Schulen, Museen, Bibliotheken und Zeitungen wurden geschlossen.

Russlanddeutsche begehen heute den 28. August als Gedenktag. „Mein Vater hat auch in so einem Lager in Sibirien leben müssen“, sagt eine Frau um die 50, die die Ausstellung betreut und ihren Namen nicht nennen will. Ihrer Mutter blieb das Schicksal erspart. Ein Großvater kam bereits auf dem Weg ins Lager um. Sie selbst durfte in der Sowjetunion studieren. „Als ich erwachsen war, war es wieder normaler. Aber in Behörden durfte ich als Deutsche nicht arbeiten.“

Die Ausstellung zeigt auch die Einwanderung der Russlanddeutschen nach Berlin. Sie dokumentiert Biografien von russlanddeutschen Unternehmern in den Ostbezirken, die etwa ein Reisebüro oder einen Supermarkt leiten. Oft sind sie hochqualifiziert, aber ihre in den GUS-Staaten erworbenen Hochschulabschlüsse werden nicht anerkannt. Besonders viele Lehrer und Lehrerinnen sind unter den Migranten. Auch die Aufsichtsfrau in der Ausstellung ist von Beruf Lehrerin. MARINA MAI

■ Altes Rathaus Marzahn, Helene-Weigel-Platz 8, S-Bahnhof Springpfuhl, Mo. und Do., 13 bis 17 Uhr sowie nach Vereinbarung unter Tel. 0 30/55 39 73 24 oder 54 98 75 88