: Celle diskutiert Kastensystem
„Hey, bist du auch Ezide / Ezidin?“ Eine religiöse Info-Broschüre hat eine Integrationsdebatte ausgelöst, weil sie auch das Kastensystem der Yeziden beschreibt. Mit dem Grundgesetz sei dieses nicht vereinbar, sagen Lokalpolitiker
In der kurdischen Religion der Yeziden ist Gott so groß, dass es neben ihm keinen Teufel geben kann. Dennoch müssen sich die Yeziden in Celle derzeit mit feindlichen Kräften auseinandersetzen. „Ich hege ernsthafte Zweifel an Ihrem Willen, an einer echten Integration der kurdischen Bevölkerung mitzuwirken“, schreibt die Erste Stadträtin der Stadt Celle, Susanne Schmitt (CDU), in einem offenen Brief an Halil Savucu, Yezide und in Celle als Sozialpädagoge in der Integrationsarbeit tätig.
Anlass für diesen Vorwurf ist ein Flyer für Kinder, den Savucu verfasst hat und in dem er die yezidische Religion beschreibt – inklusive ihres Kastensystems. „Es gibt drei große Kasten: shêx, pîr und mîrîd. Jeder muss jemanden aus seiner eigenen Kaste heiraten“, heißt es in dem Flyer. Heiraten außerhalb dieses Systems seien Sünde.
Laut Grundgesetz dürfe niemand wegen seines Geschlechts oder seiner Abstammung diskriminiert werden, hält Stadträtin Schmitt dagegen. Die Einteilung der Menschen nach Kasten verstoße „auf gravierende Weise“ gegen dieses Grundrecht und sei „inakzeptabel“.
„Besonders problematisch“ findet es die Stadträtin, dass sich der Flyer an Kinder richtet. „Uns liegt sehr daran, gerade Kinder und Jugendliche an unser deutsches Werte- und Gesellschaftssystem heranzuführen.“
Das Verhältnis zwischen den Yeziden und der Stadt Celle sei schon länger „schwierig“, kontert Flyer-Autor Savucu. Ihm sei es lediglich um Aufklärung über die eigene Religion gegangen, die viele Kinder kaum kennen würden. „Die Migranten müssen erst einmal ihre eigene Identität kennen, um sich zu integrieren“, sagt Savucu.
Was sie daraus machen, müssten sie dann selbst sehen, allerdings seien die Heiratsregeln für die Yeziden nicht verhandelbar. „Das ist so wie bei den Katholiken, da darf ja auch keiner Priester bleiben, der heiraten will.“
Savucu, der auch Vorsitzender des Vereins „Plattform Ezidischer Celler“ ist, sagt, dass er sich dafür eingesetzt habe, dass Jugendliche nicht mehr von ihrer Familie verstoßen werden, wenn sie mit der Religion brechen. Dass die Yeziden auch gegen Abtrünnige tolerant seien, bewiesen die vielen bi-religiösen Ehen, die es in Celle gebe.
In den nächsten Tagen wird es ein Gespräch zwischen Vertretern der Stadt und der Yeziden geben. DANIEL WIESE