Kunst jenseits des Businessplans

Boris Abel studierte Politik, dann verschlug es ihn in die rührige Szene der Berliner Produzentengalerien und Projekträume. Seit vier Jahren betreibt er eine kommerzielle Galerie, die nun erstmals zum Art Forum eingeladen wurde. Ein Porträt

VON KITO NEDO

Bedrohlich wirken die Bilder, die im Eingangsbereich der kleinen Galerie Abel – Neue Kunst gezeigt werden. Zu sehen ist eine hastige Kamerafahrt durch beschädigte Straßen, deren Hauseingänge mit Sandsäcken verbarrikadiert sind, dazu ist ein dramatischer Monolog zu hören. Die herausgepressten Worte eines Gehetzten aus dem Off illustrieren das Sichtbare auf das Eindrücklichste. Doch ursprünglich haben Ton- und Bildspur, die der kroatische Medienkünstler Ivan Faktor für seinen 18-minütigen Experimentalfilm „Das Lied ist aus“ (2002) kombiniert hat, gar nichts miteinander zu tun: Das Videomaterial drehte der Künstler während der Kämpfe von 1991 in der kroatischen Stadt Osijek, die Stimme hingegen kommt aus dem 1931 von Regisseur Fritz Lang gedrehten Kinoklassiker „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“.

Auch die im nächsten Raum ausgestellten großformatigen Fotografien des 1961 in Bosnien und Herzegowina geborenen Sahin Sisić handeln vom Krieg in Exjugoslawien. Seine Aufnahmen von Straßenszenen stammen aus der belagerten Stadt Sarajevo, 1992. Sisićs Abzügen wohnt eine grausame Stille inne, die ratlos macht, sie künden von der ästhetischen Ungenießbarkeit solcher Kriegsfotografien, die jedoch die Grenzen des Dokumentarischen sprengen.

Ungeplante Galerie

„Running after me are ghosts“ hat Galeriebetreiber Boris Abel, 41, diese Doppelpräsentation genannt. Tatsächlich sind Bilder vom Krieg in Jugoslawien weitgehend aus dem medialen Bewusstsein Europas verschwunden oder tauchen nur hin und wieder wie Geister der Vergangenheit auf, um an das Geschehene zu erinnern.

Auch wenn Faktor und Sisić nicht zu der Liste der fest von Abel vertretenen Künstlerinnen und Künstler gehören – für das Programm der Galerie ist eine solche Präsentation nichts Ungewöhnliches: „Ich zeige etliche Projekte, die einen politischen oder sozialen Anspruch haben oder solche Themen debattieren“, bringt der Galerist, der einst Politologie in Berlin, Paris und Canterbury studierte, seine Ausstellungspolitik auf den Punkt. Das verwundert nicht, ging die Politik bei Abel doch der Arbeit im Kunstbetrieb voraus. Eine Galerie zu betreiben, hatte er eigentlich nie geplant, erzählt Abel, der seit Mitte der Neunzigerjahre in diversen Projektraumzusammenhängen in der Berliner Kunstszene tätig ist. „Das hat sich immer mehr in Richtung Kunst verdichtet. Meine ursprüngliche Idee war, im Bereich internationale Organisationen zu arbeiten.“ Seit vier Jahren betreibt der gebürtige Bonner seinen ehemaligen Projektraum als kommerzielle Galerie. „Nichtsdestotrotz versuche ich immer noch den Kontakt zu Projekträumen und Kunstinitiativen zu halten, weil das meinem Herkommen entspricht. Außerdem denke ich, dass gerade in diesem Rahmen neue Künstlerpositionen an die Oberfläche kommen.“ Zu dieser Szene zählt etwa das kürzlich wiederbelebte Kreuzberger Forever and a day Büro, die inzwischen eingestellte Initiative Capri auf der oberen Brunnenstraße oder Rüdiger Langes Loop-Raum, der sich mittlerweile ebenfalls in eine reguläre Galerie verwandelt hat. Mit den neuen Produzentengalerien wie Amerika oder Diskus, die sich wie nach einem ungeschriebenen Businessplan spätestens nach zwei Jahren professionalisieren, haben diese Initiativen wenig gemeinsam.

Suggerierter Überblick

Wenn Abel nun im September erstmalig auf der Berliner Messe Art Forum vertreten sein wird, so ist dies die vorläufige Krönung jahrelanger Bemühungen auf dem hart umkämpften Galerienpflaster in Berlin. „Wenn man auf bestimmten Kunstmessen ist, ist das ein Qualitätssiegel. Da tummeln sich die Sammler und die Kuratoren“, hat Abel beobachtet. Auch die Vertreter der Kunstinstitutionen gingen verstärkt auf Messen, „weil so eine Messe für eine kurze Zeit einen Überblick zumindest suggeriert“. Seine Künstler, darunter die Künstlergruppe Bewegung Nurr, die Malerin Christine Weber oder der Bildhauer Sven Kalden, dürfen sich über die Aufmerksamkeit freuen, die mit der Aufnahme in den erlauchten Kreis der Artforum-Galerien verbunden ist.

Doch trotz der Präsentationsmöglichkeit auf der Messe bleibt die Vermittlung der von Abel geschätzten Kunst in den Markt und die Institutionen ein hartes Stück Arbeit. Etwa mit der „Bewegung Nurr“, einem 1989 gegründeten Künstlerkollektiv, bestehend aus Alekos Hofstetter, Christian Steuer und Lokiev Stoof, hat Abel seine Erfahrungen: „Obwohl es in der Kunstgeschichte zahlreiche Künstlerkollektive gegeben hat, scheinen die Leute, die Kunst kaufen, nach wie vor am Einzelkünstler interessiert zu sein: an dessen Biografie, an seiner Inspiration und Themenfindung und an seinen Ausdrucksweisen. Bei Nurr ist das eben ein kollektiver Prozess. Manchmal habe ich den Eindruck, dass das manche potenzielle Käufer schon überfordert.“ Doch während Abel diese Sätze sagt, erweckt er nicht den Anschein, vor einer unlösbaren Aufgabe zu stehen.

ABEL Neue Kunst, Sophienstr. 18. Die aktuelle Ausstellung ist noch bis zum 28. 7. zu sehen, Mi.–Sa., 14–19 Uhr