Der Mann, der gegen Gleichheit kämpft


Kämpft für die Lokführer: CDU-Mann und Motorsportfan Manfred Schell, 64. Heute lässt er wieder bundesweit streiken – gegen den Bahnchef und die Konkurrenzgewerkschaften FOTO: REUTERS

Manfred Schell saß immer ganz vorne. Jedenfalls als Lokomotivführer. Zehn Jahre lang bis 1974 „lenkte“ der gelernte Schlosser, der 1943 in Aachen geboren wurde, Eisenbahnen durch ganz Deutschland. Danach wurde er hauptamtlicher Funktionär der Gewerkschaft der Deutschen Lokomotivführer (GDL) und 1989 ihr Boss. Aktuell ist Schell der fleischgewordene Albtraum von Bahnchef Hartmut Mehdorn.

Wenn Schell will, stehen tatsächlich alle Räder still; jedenfalls die der Schienenfahrzeuge. Und Schell will. Heute soll es wieder so weit sein. Gestreikt werde aber nicht für 31 Prozent mehr Lohn, wie „fälschlicherweise“ immer behauptet werde, sagte Schell zur taz. Sondern für höhere Einstiegsgehälter. Diese sollen von derzeit 1.970 Euro auf 2.500 Euro steigen. „Französische Verhältnisse“ will Schell nicht provozieren, um die Forderungen der 34.000 in der GDL organisierten Lokomotivführer und Schaffner durchzusetzen. Im Gespräch lässt er aber schon einmal durchblicken, dass es durchaus eine Option sei, den Zugverkehr in Deutschland über Tage hinweg lahmzulegen.

Eine Botschaft für Mehdorn. Der soll das wissen. Das genügt. An den Verhandlungstisch gezwungen haben die Gewerkschafter den Bahnchef mit einem kurzen flächendeckenden Warnstreik letzte Woche immerhin schon.

Dass der Kundschaft der Bahn das nicht gefällt, ist Schell nicht egal. Aber ein Arbeitskampf in einem Verkehrsunternehmen treffe letztlich immer die Kunden. Entschieden weist Schell jedoch den Vorwurf der beiden anderen Bahn-Gewerkschaften Transnet und GDBA zurück. Diese kritisieren, dass die GDL mit ihrer Maximalforderung die Belegschaft spalte, die Bahngewerkschaften insgesamt schwäche. Er halte nichts vom Prinzip der Gleichheit, sagt Schell. 7 Prozent mehr für alle? Oder gar die jetzt ausgehandelten 4,5 Prozent? Das sei „völlig unangemessen“ für die Lokomotivführer, die einen außerordentlich verantwortungsvollen Job ausübten und dennoch mit nur 1.500 Euro netto monatlich nach Hause gehen.

Schell ist Christdemokrat. Der Union trat er 1971 bei, noch vor der GDL. Knapp zwei Jahre saß er 1993 und 1994 als Nachrücker im Bundestag. Dort stimmte er gegen die Privatisierung der Bahn. Heute lehnt er den geplanten Börsengang zwar nicht kategorisch ab. Doch zu einem weiterem Personalabbau dürfe es danach nicht kommen; und auch nicht zu höheren Fahrpreisen. Der aktuelle Streik ist sein letztes Gefecht. 2008 geht Schell in den Ruhestand. Dann hat er Zeit für seine zweite private Passion. Nein, nicht für die Modelleisenbahn, sondern für den Motorsport.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT