Eine wenig durchdachte Straftat

PROZESS Drei junge Männer stehen vor Gericht, weil sie Gold bestellten – um dieses zu rauben

„Ich wollte so sein wie die Großen, die hatten ein Bündel Geld in der Tasche und Autos und schöne Klamotten – das wollte ich auch“

Karim Z.* schämt sich. „Ich habe nicht nachgedacht“, sagt der 20-Jährige, „jetzt sitze ich in meiner Zelle und frage mich, was hast du gemacht?“ Vor dem Landgericht Bremen ist der ehemalige Lehramtsstudent angeklagt, mit anderen im Februar und März dieses Jahres über das Internet Gold bestellt zu haben. Mit dem Zweck, es dem Überbringer zu rauben – was sie aber nur beim ersten Mal getan haben. Dabei verletzte Z. die Kurierfahrerin mit einem Pfefferspray an den Augen. Jetzt möchte er sich bei der Frau entschuldigen. „Das hätte meine Mutter oder irgend jemandes Mutter sein können.“

Mit Z. angeklagt sind ein Freund und ein Bekannter, der nach der ersten Tat dazu kam. Alle drei waren zum Tatzeitpunkt volljährig, aber noch keine 21 Jahre alt. Daher könnten sie nach dem erheblich milderen Jugendstrafrecht verurteilt werden. Dazu muss das Gericht zu der Einschätzung kommen, dass es sich im weitesten Sinn um jugendlichen Leichtsinn gehandelt hat. Die gestrige Befragung der Eltern der Angeklagten sowie das Geständnis von Z. legten dies nahe.

„Ich wollte so sein wie die Großen“, sagt er. In das Café, das er und sein Freund Ahmed J.* besuchen, seien Jungs gekommen, „die hatten ein Bündel Geld in der Tasche und Autos und schöne Klamotten – das wollte ich auch.“ Im Café hören sie von Goldbestellungen unter falschem Namen, dort gibt es auch jemand, der ihnen später das erbeutete Gold im Wert von 4.400 Euro abkauft. Für gerade mal 1.400 Euro, die sie durch zwei teilen. „Ganz schön hoher Aufwand für 700 Euro“, bemerkt Richter Christian Zorn. „Ja, aber es war trotzdem viel Geld für uns“, sagt Karim Z., „sehr viel Geld.“

Seine Mutter ist arbeitslos, seine 420 Euro Bafög gehen auf ihr Konto. „Ich bezahle ihm alles, Fitness-Studio, Kleidung“, sagt die 48-Jährige. Mit 20 Jahren bekommt Z. ein Taschengeld. In der Befragung der Mutter wird deutlich, dass Z. wenig Möglichkeiten hatte, sich von ihr zu lösen. Bis er 13 Jahre alt ist, schläft er in ihrem Zimmer, auch bevor sie sich 1998 von seinem gewalttätigen Vater getrennt hatte. Mit diesem und zwei Töchtern war sie ein Jahr vor Karims Geburt nach Deutschland gekommen. Kontakte nach außen hatte die Familie kaum.

Trotz der Nähe bekommt die Mutter nicht mit, wie sich ihr Sohn entwickelt. Als er verhaftet wird, sei sie „schockiert“ gewesen. Dabei hatte es wegen eines anderen Tatverdachts eine Hausdurchsuchung gegeben, fünf Verfahren führte die Staatsanwaltschaft gegen ihn. Karim Z. verheimlicht seiner Mutter auch, dass er sein Studium geschmissen hat – „ich hab’s einfach nicht geschafft“, sagt er. Er weint, als er über die Streitereien spricht, weil die Mutter nicht wollte, dass er Lehrer wird.

Statt zu studieren, sitzt er im Internet-Café und bestellt Gold. Nur anderthalb Wochen hatte das Geld aus dem Überfall gereicht, erzählt Z., für eine Hose, einen Restaurantbesuch mit der Freundin, Handyschulden, die Spielothek. Einen großen Teil habe er in seinem Stammcafé gelassen, er raucht dort Wasserpfeife. „Mit Apfelgeschmack.“ Sie versuchen es also noch einmal, zusammen mit Hussein M.*. Doch als es darum geht, am Übergabeort – einer fingierten Adresse in Bremen-Nord – zur Tat zu schreiten, habe sie der Mut verlassen, erzählt Z. „Keiner wollte das machen.“ Sie seien dem Lieferwagen noch gefolgt, „aus Neugier“, um zu sehen, wer darin sitzt. Dass sie wiedererkannt werden könnten, sei ihnen nicht in den Sinn gekommen, auch als sie am Hauptbahnhof von der Polizei kontrolliert wurden, hätten sie sich nichts gedacht. Ob sie nicht überlegt hätten, wie die Firma – sie bestellten bei derselben – auf den Überfall reagieren würde, fragt der Richter. „Nein.“

Beim dritten Versuch werden sie verhaftet. Z. beteuert, dass sie auch diesen abbrechen wollten. Doch dazu ist es zu spät, dem Lieferwagen entsteigt ein Trupp Polizisten. Bei der Verhaftung wird Z. das Nasenbein gebrochen, nach seinen Angaben ist zudem seine Sehfähigkeit auf einem Auge erheblich vermindert. Der Prozess wird fortgesetzt. eib

* Namen geändert