Wenn die Zukunft alt aussieht

Drei Ausgaben auf einen Schlag: Das deutsch-ungarische Zeitschriftenprojekt „Die Planung – A Terv“ blickt aus der Zukunft auf Gegenwart und Vergangenheit

Stell dir vor: die Zukunft. In Jahreszahlen – 2011, 2036, 2048. Drei Hefte, eine Zeitschrift, ein Konzept, ein deutsch-ungarisches Projekt, gespeist aus einem Fördertopf der Bundeskulturstiftung: Die PlanungA Terv. Drei Hefte auf einen Schlag, ein jedes der Herausgeberfiktion nach in einem anderen Jahr der Zukunft veröffentlicht. Vorgestellt wurden sie am letzten Freitag in der mit mitteljungem Mittepublikum gut gefüllten Buchhandlung „Pro qm“. Im Halbkreis stehen Autorinnen und Autoren und verlesen Textfragmente, auf Deutsch, auf Englisch, einer auch auf Ungarisch. Da wird man jetzt aber nicht auf Anhieb schlau draus, weil alles nicht nur zwischen den Sprachen, sondern auch zwischen den Stilen und Themen springt, durch die Zukünfte hüpft, Reportagen, Literarisches, E-Mail-Wechsel und andere Sachen mischt, die irgendwie zwischen allem liegen.

Also der Blick in die Zeitschriften selbst. Oder erst einmal darauf: 2011 ist außen grüngelb, 2036 schwarz-weiß, und auf dem schwarz-gelben 2046er-Cover sieht man hinter einer in die Mitte gesetzten Charles-Manson-Grafik die Umrisse des Kopfes von Alfred E. Neuman. Drinnen sehen die Hefte dann wirklich gut aus. Ein bisschen sehr abwechslungsreich vielleicht die Schriften, Typen, Layout-Format. Aber sehr schöne Fotos, wenn auch naturgemäß keins in der Zukunft geschossen ist. Der Regenwald Südamerikas auf Satellitenaufnahmen (2011). Eine Serie von Schwarz-Weiß-Fotografien aus Rochester, Minnesota. (2036). Wolgadeutsche in Argentinien (2048). Die Letzteren beiden freilich eher historisch orientiert und überhaupt gibt es eine Menge Texte, die aus der Vergangenheit erzählen (über Le Corbusier, über Charles Fourier). Zwar wird die Vergangenheit durch den Blick von der Zukunft her ein bisschen vergangener, grundsätzlich anders, von heute betrachtet, aber nicht.

So ist das Konzept die eigentliche Crux dieser Konzeptzeitschrift. Neben Scherzartikeln wie einem Rückblick auf die Bandgeschichte von ZZ Top anlässlich des jüngsten, 2048 erschienen Albums Dromomania gibt es manches, das sehr gelungen ist – etwa Kathrin Rögglas sich sehr präzise im geografisch Ungefähren bewegenden Text „gesprächspartner“ (2011). Eher bizarr dagegen Reiner Maria Matysiks pflanzenpornografische Fantasie „sexual vegetation“ (2036), nur bedingt aufschlussreich Hilmar Schmundts Versuch, den Rezeptionstheoretiker Wolfgang Iser post mortem mit Stanislaw Lem ins Gespräch zu bringen (2048). Science-Fiction im geläufigen Sinn ist kaum dabei, ein bisschen Lovecraft und dann noch Detlev Arendts Vision einer hormonal „harmonisierten Partnerschaft“ (2048).

Sex, Leben, Tod sind, Heft für Heft, die Klammern fürs Ganze, das also groß und grundsätzlich gedacht ist. Umso bedauerlicher, dass das Ergebnis dann eher klein und etwas durcheinander ausfällt. Der letzte Text ist der Wiederabdruck von Donna Haraways schon etwas angestaubtem „Cyborg Manifesto“ aus dem Jahr 1991. Schwer zu entscheiden, ob das nun ein Fall von ironischem Retrofuturismus ist oder eher der Beleg dafür, dass die Zukunft auch ganz schön alt aussehen kann. EKKEHARD KNÖRER