die taz vor sieben jahren über den wirtschaftsaufschwung
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Hoch zufrieden und „optimistisch gestimmt“ saß Wirtschaftsminister Werner Müller gestern vor der Presse, konnte er in seinem Jahreswirtschaftsbericht doch drei Prozent Wachstum für die nächsten Jahre prognostizieren. Und auch der Internationale Währungsfonds sekundiert: Deutschland habe die besten kurzfristigen Wirtschaftsaussichten seit zehn Jahren.

Ein Gewinner dieses Aufschwungs steht schon fest: die Bundesregierung. Wie Müller freimütig zugibt, werden die großen Reformvorhaben der Koalition allesamt durch das Wachstum finanziert: die Konsolidierung des Bundeshaushaltes, die Steuerentlastungen, die Neuorientierung der Alterssicherung. An der Oberfläche ist Müllers Analyse so banal wie wahr: Ohne Wachstum könnte Finanzminister Eichel nicht den Haushalt konsolidieren und gleichzeitig Steuergeschenke verabreichen.

So bleibt ein bitterer Beigeschmack, wenn Müller eine der ewigen Wahrheiten von Ludwig Erhard zitiert: „Mehr Wohlstand für alle ist nur durch Wirtschaftswachstum erreichbar.“ Das trifft zu. Nur folgt daraus eben noch lange nicht im Umkehrschluss, dass dieser zusätzliche Wohlstand „für alle“ auch auf alle gleich verteilt wird. Ulrike Herrmann, 11. 7. 2000