Eine überragende Niederlage

BUNDESLIGA Hertha BSC verliert zu Hause 0:1 gegen Bayern. Und die Berliner freuen sich, dass dies ja fast ein Unentschieden ist. Schließlich waren sie den Münchnern nur in der ersten Halbzeit hoffnungslos unterlegen

„Man darf nicht ärgerlich sein. Man muss wissen, gegen wen wir gespielt haben“

JOS LUHUKAY, HERTHA-COACH

AUS BERLIN JOHANNES KOPP

Eine knappe Heimniederlage im Abstiegskampf wird in der Fußballbundesliga üblicherweise durchaus als veritables Ärgernis wahrgenommen. Aber so weit wollte der Trainer von Hertha BSC Berlin am Samstagabend keinesfalls gehen.

„Das Ergebnis ist schade“, sagte Jos Luhukay. Und nicht mehr als bedauerlich fand er es demnach auch, dass sein Verteidiger John-Anthony Brooks kurz vor dem Ende aus aussichtsreicher Position den Ball über das Tor drosch und damit die Möglichkeit zum Ausgleich verpatzte.

Luhukay war äußerst milde gestimmt. Aus seiner Sicht wog ganz Generelles die möglichen Selbstverurteilungen auf. Er erklärte: „Man darf nicht ärgerlich sein. Man muss wissen, gegen wen wir gespielt haben.“

Der große FC Bayern München also hatte Luhukay so weich werden lassen. Sein Resümee wirkte geradezu devot, als könnte die Klage über einen verpassten Punkt als Beleidigung einer unumschränkten Majestät geahndet werden.

Zur Halbzeitpause hätten gewiss viele Hertha-Profis liebend gern eingewilligt, den schmeichelhaften 0:1-Rückstand auch als Endergebnis zu werten. Per Ciljan Skjelbred bekannte schließlich, dass er vor dem Spiel ein solches Resultat gar als „überragend“ eingeordnet hätte. Die Angst vor der Blamage schreckte die Berliner im ersten Spielabschnitt offenbar vor der Eigeninitiative ab. Nicht einen Torschuss brachten sie zuwege, während der FC Bayern den Ball nahezu perfekt in den eigenen Reihen hielt und sich einige Großchancen herausspielte. Die Ineffizienz und damit verbundene Ergebnisoffenheit ließ die Berliner aber zunehmend mutiger werden. Obwohl die Gäste nach wie vor die besseren Chancen hatten, die Kontrolle über die Partie hatten sie verloren.

Neben Brooks kreierten auch die eingewechselten Ronny und Kalou vor dem Tor von Manuel Neuer zwei unberechenbare Momente. Skjelbred bemerkte hernach, dass gar mehr als eine überragende Niederlage im Bereich des Möglichen gewesen wäre: „Nach dem Verlauf der zweiten Halbzeit hätten wir einen Punkt mitnehmen müssen.“ Wobei er zugleich ehrerbietig versicherte, der FC Bayern sei eine ganz eigene Welt, was seine Qualität angehe.

In früheren Zeiten der Dominanz mögen die Münchner als arrogant und großkopfert aufgefallen sein. In der jüngsten Ära ihrer Übermacht fallen indes eher die Konkurrenten durch ihre schicksalsergebene Bewunderung auf. Die eigenen Ansprüche fallen bescheiden aus. Nach der 0:4-Niederlage der Hoffenheimer letzte Woche in München verkündete deren Sportdirektor Alexander Rosen stolz: „Wir haben es geschafft, die Bayern zu nerven.“ So gesehen war die 0:1-Niederlage der Teilzeitstörer aus Berlin wirklich ein starkes Stück!

Ähnlich muss dies auch der Trainer des Tabellenführers empfunden haben. Pep Guardiola wollte sich nicht für die erste Hälfte seines Teams lobpreisen lassen. „Nach der zweiten Halbzeit wissen wir, dass noch viel Arbeit vor uns liegt. Wir müssen viele Dinge verbessern“, sagte er. So wie seine Kollegen allein schon durch die greifbare Nähe eines Punktgewinns Gewinnergefühle entwickeln, führt dieser Umstand beim Spanier zur Niedergeschlagenheit. Er neigt dann schnell zur Selbstgeißelung.

Gegen Hertha hatte er überraschend Ribery und Robben von den Flügeln mehr in die Zentrale beordet, um dort ein Übergewicht zu schaffen. Ein Plan, der zunächst perfekt aufging und unter anderem den Führungstreffer von Arjen Robben begünstigt hatte. Aber Guardiola sagte mit Blick auf den späteren Verlauf: „Das war keine gute Entscheidung von mir.“

Nun, auch bei Hertha hätte man das Messer der Kritik wetzen können. Luhukay beließ es jedoch lieber stumpf. Er räumte zwar ein, dass seine Spieler in der Aufregung vor dem gegnerischen Tor zu oft ins Abseits sprinteten oder den besser postierten Kollegen übersahen, aber verübeln wollte er das niemandem. Punkte aus dieser Partie hatte er ohnehin nicht eingerechnet. Zufrieden war er, weil er bei seiner Gewinnerwartung auf eine andere Währung gesetzt hat. „Die zweite Halbzeit gibt ein wenig Hoffnung fürs nächste Spiel in Gladbach.“