17 suchen Anschluss

ARBEITSWELT Freiberufliche Akademiker wollen sich in einem neuen Netzwerk organisieren, um für bessere Arbeitsbedingungen und gerechtere Löhne zu kämpfen. Viel Spaß, denn: Es gibt viel zu tun

BERLIN taz | Seit über zehn Jahren gibt die Frau, sagen wir Gisela, nun schon freiberuflich Seminare. Etwa für Jugendliche, etwa in der Berliner Verdi-Jugendbildungsstätte Konradshöhe. Das ist, an einem schönen See gelegen, ein formal unabhängiger Verein, dessen Vorstand mit Gewerkschaftsleuten besetzt ist. 110 Euro verdiente Gisela dort zuletzt pro Seminartag. Für ihre mickrigen Honorare ist die außerschulische Bildungslandschaft ohnehin berüchtigt. Aber ein Tagessatz von 110 Euro – außergewöhnlich niedrig. Jetzt aber verdient Gisela dort gar nichts mehr. Denn als sie und ihre 16 Kollegen eine Erhöhung auf 140 Euro forderten, kündigte ihnen die Hausleitung im Sommer die Rahmenverträge. 17 auf einen Streich – so kann es gehen, wenn prekäres Lehrpersonal den Mund aufmacht.

Gemeinsam mit anderen wollen die 17 nun ein neues Netzwerk gründen. Arbeitstitel: „Prekäres Wissen“. Doch der Auftakt am Freitag in Berlin spiegelte wieder, was das Problem der gesamten Sparte ist: ihre Gesichtlosigkeit. Zwar kamen knapp zwei Dutzend Sozialwissenschaftler, Sprachlehrbeauftragte, Sozialarbeitsstudenten. Zur Orientierung: Nach Schätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung gibt es weit über hunderttausend akademische Freiberufler.

Matthias Neis, der bei der Berliner Gewerkschaft Verdi arbeitet, ist in dieser Runde der Einzige, der hauptberuflich heute hier ist. Er ist wenig verwundert. Das Interesse am Thema sei da, das zeige die große Resonanz bei Unterschriftenaktionen. „Aber es scheitert regelmäßig, wenn man Gesicht zeigen muss. Prekäre Beschäftigung erhält sich selbst.“

Verdi versuchte in den letzten Jahren Lehrbeauftragte an sieben Hochschulen zusammenzubringen, mit unterschiedlichen Strategien. Jedoch entfalteten die Bündnisse nie genug Macht, um die Hochschulen zu wirksamen Selbstverpflichtungen zu zwingen, berichtet Neis.

Doch Betroffene finden auch ohne gewerkschaftliche Hilfe zusammen. Vor zwei Jahren bildeten Studierende in Berlin das Netzwerk „Prekäres Praktikum“. Sie versuchen seither, den Wohlfahrtsverbänden und dem Berliner Senat endlich Vergütungen für akademische Pflichtpraktika, bei denen der Mindestlohn nicht greift, abzuringen. Bisheriger Erfolg? Eher gering.

In einem Blog will das neue Netzwerk „Prekäres Wissen“ nun beginnen, über die mickrigen Honorare wenigstens öffentlich zu reden. Es ist ein Anfang, ein kleiner. ANNA LEHMANN