Zentralrat erneuert

JUDENTUM Josef Schuster wird neuer Chef des Zentralrats der Juden. Vorgänger Dieter Graumann prangert eine Renaissance antisemitischer Äußerungen an

BERLIN taz | Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat einen neuen Vorsitzenden. Am Sonntag wählte die Vertretung der deutschen Juden in Frankfurt am Main Josef Schuster (60) zu ihrem neuen Chef. Der Würzburger Arzt folgt auf Dieter Graumann (64), der nach vier Jahren auf eine weitere Amtszeit verzichtete. Die jüdische Gemeinschaft sei Teil der deutschen Gesellschaft, sagte Schuster nach der Wahl. „Wir möchten auch in Zukunft das Leben in Deutschland mitgestalten.“

Schuster ist der achte Vorsitzende in der Geschichte des 1950 gegründeten Zentralrats. Rabbiner Walter Homolka vom Abraham-Geiger-Kolleg sagte, er hoffe, dass Schuster „auf orthodoxe und liberale Kräfte integrierend“ wirken werde. Die Pluralität der jüdischen Gemeinden ist in den letzten Jahren weiter gewachsen. Die nach dem Krieg gegründeten Einheitsgemeinden, die alle religiösen Strömungen präsentieren sollten, werden damit infrage gestellt. Zudem kommt ein großer Teil der über 100.000 Mitglieder der 108 Gemeinden nicht mehr aus dem deutschen Judentum, sondern ist erst nach der Auflösung der Sowjetunion eingewandert. Deren Integration zählt zu den wichtigsten Aufgaben der Gemeinden.

Graumann hatte im Oktober überraschend erklärt, nicht mehr für eine zweite Amtszeit zur Verfügung zu stehen, und dies mit der hohen Belastung des Amts begründet. Seine Bilanz fällt zwiespältig aus. Einerseits sei es ihm gelungen, die finanziellen Zuwendungen zu erhöhen, und er habe daran gearbeitet, „dass jüdische Gemeinden zukunftsgewandt, fröhlich und stark kulturell geprägt sind“, so sein Nachfolger Schuster.

Andererseits fiel in Graumanns Amtszeit mit der Beschneidungsdebatte und den judenfeindlichen Aktionen während des Gazakriegs in Deutschland eine Renaissance antisemitisch geprägter Äußerungen. „Es ist für manche Menschen kein Tabu mehr, ihre Judenfeindschaft auszuleben und zu zeigen“, sagte Graumann. „Wir haben in diesem Sommer während des Gazakriegs Demonstrationen gesehen, wo der pure, primitive Judenhass sich Bahn gebrochen hat“, fügte er hinzu.

Der nach Deutschland getragene Gazakonflikt hat auch zu einer Entfremdung zwischen dem Zentralrat der Juden und den Vertretungen der Muslime geführt. Graumann verlangte, dass sich die „muslimischen Repräsentanten viel stärker gegen den Radikalismus aussprechen, als sie es tun“. Im September hatte der Zentralrat eine zentrale Demonstration gegen Judenhass ohne direkte Beteiligung muslimischer Verbände organisiert.

KLAUS HILLENBRAND