Säuglingstod: Freispruch

Richterin erkennt kein persönliches Fehlverhalten der Ärzte, sondern Organisationsmängel des Krankenhauses

Dass die junge Richterin am Hamburger Amtsgericht St. Georg sich vor der Entscheidung viele Gedanken gemacht hat, ist ihr anzumerken. Fünf Jahre nach dem Tod eines Säuglings in einem Krankenhaus spricht sie am Mittwoch zwei Ärzte vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei. Mit dem Urteil wolle sie nicht sagen, dass keine Fehler in der Klinik gemacht worden seien, betont die Richterin: „Aber was ich nicht feststellen kann, ist ein persönliches Fehlverhalten dieser beiden Angeklagten.“

Die Staatsanwaltschaft hatte einer jetzt 36-jährigen Ärztin und einem vier Jahre älteren Berufskollegen zur Last gelegt, im Juni 2002 bei einem neugeborenen Jungen eine Sepsis zu spät erkannt, den Kleinen falsch behandelt und seinen Tod verschuldet zu haben. Der zuständige Arzt soll trotz alarmierender Blutwerte bei dem Säugling keinen Anlass für eine Untersuchung gesehen, die Assistenzärztin im dritten Ausbildungsjahr ihn dann zu spät und falsch behandelt haben. Die Staatsanwältin hatte für die beiden Mediziner Geldstrafen gefordert.

Die Eltern des Kleinen nahmen die Freisprüche äußerlich regungslos auf. „Das ist ein Prozessergebnis, das Sie natürlich nicht zufrieden stellt“, sagte die Richterin entschuldigend. „Ich kann letztlich die Verantwortung nicht klären.“ Die moralische Schuld sei eine andere Frage.

Juristisch steht für die Richterin fest, dass die Ärztin den Jungen übernahm, als er nur noch eine Überlebenschance von 50 Prozent hatte. Strafrechtlich sei das nicht ausreichend für den Vorwurf einer fahrlässigen Tötung. „Vor diesem Zeitpunkt ist schon einiges erheblich schief gelaufen“, stellte die Richterin fest. Das aber könne man der Ärztin nicht anlasten.

Der Kinderarzt habe nicht gewusst, dass der Junge ein Risikokind war. Seine Mutter hatte vor und bei der Geburt Fieber. Das Kind litt möglicherweise an einer erblichen Krankheit. Es wurde schon bald nach der Geburt schläfrig und trank nicht. Es sei erschreckend, dass all dies nicht in der Krankenakte des Kindes stand und die Schwestern dem Arzt nichts davon sagten, sagte die Richterin. Aber das sei dem Angeklagten nicht anzulasten. Vielmehr habe es in der Organisation des Krankenhauses Mängel gegeben. Der Freispruch für die beiden Angeklagten, das streicht die Richterin heraus, sei „kein Freibrief für Ärzte in Krankenhäusern“. DPA