Scheitern als Chance

Der kürzlich aus dem Amt gedrängte Altonaer Bezirksamtsleiter Fock ist neuer Spitzenkandidat der FDP. Sein Vorgänger Schinnenburg sah sich in seiner Arbeit behindert und warf die Brocken hin

VON ELKE SPANNER

Burkhard Müller-Sönksen ist ein Berufsoptimist. Obwohl sich durch den Rücktritt von FDP-Spitzenkandidat Wieland Schinnenburg gerade ein weiteres Mal die Dauerkrise der Hamburger Liberalen offenbart hat, sieht der Landesvorsitzende die jüngsten Entwicklungen sogar als Beleg für den guten Zustand der Partei: Unmittelbar nach dem Rücktritt des bisherigen Spitzenkandidaten am Montagabend habe er dessen Nachfolger Hinnerk Fock benannt, und schon für dieses Wochenende sei der Landesparteitag für die Nominierung organisiert: „Noch nie hat eine Partei in so einer kurzen Zeit so ein schwieriges Thema geregelt bekommen“, sagte Müller-Sönksen gestern. „Das zeigt, wie gut die Hamburger FDP aufgestellt ist.“

Das sehen nicht alle so. Schinnenburg, der von einem Moment auf den nächsten alle Parteiämter hinwarf, hat eine etwas andere Sicht auf die Dinge. Er hält seiner Partei vor, sich nur noch um sich selbst und die persönlichen Animositäten der Funktionäre zu drehen. Seit Monaten habe es ein „Kesseltreiben einiger Funktionäre“ gegen ihn gegeben. Systematisch hätten diese alles abgelehnt, was von ihm vorgeschlagen worden sei.

Am Montagabend dann sei das Fass übergelaufen, das schon zuvor recht voll gewesen sei: Schinnenburg hatte Spenden gesammelt, um unverzüglich Plakate für den Wahlkampf in Auftrag zu geben. Das aber hätten jene Funktionäre abgelehnt. Sie hätten zuvor einen Budgetplan verlangt. Es kam zur Diskussion, dann zum Knall: Schinnenburg gab alle Ämter auf.

Vollkommen überraschend, sagt Landesvorstand Müller-Sönksen. „Von seiner inneren Anspannung und dem angeblichen Gemobbtsein hatte Herr Schinnenburg zuvor nichts erzählt.“ Schinnenburg bestätigt, dass er nicht die Vertrauensfrage gestellt und mit Rücktritt gedroht habe: „Das halte ich für kein gutes politisches Mittel.“ Das Problem, dass bei seinen Anregungen konsequent auf die Bremse getreten worden sei, sei aber sehr wohl bekannt gewesen. „Die Funktionäre, die das seit Monaten so betrieben haben, saßen am Montag mit am Tisch“, sagt er.

Neuer Spitzenkandidat der Liberalen ist nun Hinnerk Fock. Der freut sich über die „breite Akzeptanz“ durch seine Partei: „Ich fühle mich sehr getragen.“ Mit der Nominierung des 63-Jährigen scheinen alle Funktionäre glücklich zu sein. Sie zeigen sich davon überzeugt, einen erstklassigen Kandidaten ins Rennen zu schicken: „Herr Fock hat mein volles Vertrauen“, sagt Müller-Sönksen. Der Parteichef rechnet gewagt mit sechs bis acht Prozent der Stimmen für die FDP bei der Bürgerschaftswahl im kommenden Jahr.

Dabei ist die Begeisterung über Focks Nominierung so selbstverständlich nicht. Immerhin wird mit ihm ein Mann für die FDP von den Wahlplakaten lächeln, der gerade in Altona als Bezirksamtsleiter rausgeworfen wurde. Sein Name steht derzeit eher für Affären und Führungsschwäche als für einen ausgewiesenermaßen kompetenten Politiker. Doch die Skandale in Altona, hält Parteichef Müller-Sönksen entgegen, würden ganz zu Unrecht mit dem Namen Fock in Verbindung gebracht: Dass er als Bezirksamtschef abgesägt wurde, sei keine Frage seiner Qualitäten. Die schwarz-grüne Koalition in Altona habe ihn nur demontiert, „um einen eigenen Kandidaten einsetzen zu können“. Das sagt Fock selbst auch: „Ich gehe mit gutem Gewissen.“

Der bisherige FDP-Spitzenkandidat Schinnenburg sagt, dass er nun ein „einfaches Mitglied“ der FDP sei. Noch immer stehe er voll und ganz hinter der Partei der Liberalen. Er sei auch bereit, künftig die Aufgaben zu übernehmen, die einfachen Mitgliedern übertragen werden. So schließe er nicht aus, im Wahlkampf auch einmal „an einem Informationsstand der FDP zu stehen“.