Krisenintervention kein Schwerpunkt mehr

18 Jahre lang bot „Deva“ Hilfe für MigrantInnen in psychosozialen Krisen an. Jetzt lief die Förderung aus

„Migrant sein macht ja nicht per se krank“ sagt Sevim Kabak. Manchmal aber doch. Und dann bekommt sie Arbeit. Die türkischstämmige Psychologin ist Geschäftsführerin von „Deva“, einer psychosozialen Beratungsstelle für MigrantInnen in der Eduard-Grunow-Straße im Ostertor. Dort koordiniert sie den Einsatz von 15 MitarbeiterInnen. Familiäre Gewalt, psychische Notlagen, Alkohol-, Spiel- und Internetsucht von Menschen nicht-deutscher Herkunft, um solche Dinge kümmern sie sich.

Deva, arabisch für „Heilung“, wurde 1986 von deutschen SozialarbeiterInnen gegründet – damals als Institut für interkulturelle Mädchenarbeit. Drei Jahre später kamen junge SozialpädagogInnen und PsychologInnen hinzu, die meisten von ihnen aus den Ländern des Nahen Ostens. Sie begannen, MigrantInnen in sozialen und psychischen Krisen qualifizierte Beratung anzubieten – in ihren Muttersprachen. Damals war das neu.

Bis 2006 machten sie so weiter. Am Ende betreuten drei PsychologInnen etwa 50 Ratsuchende pro Woche in einer offenen Sprechstunde – an 52 Wochen im Jahr. Der Staat steuerte jährlich 25.000 Euro bei. Anfang 2007 war Schluss: Das Sozialressort hat die Förderung gestrichen. Deva hat sich nun auf sozialpädagogische Familienhilfe verlegt – diese wird von den Behörden fallweise auf Honorarbasis entlohnt. Die Schließung konnte man so umgehen, die offene Beratung ließ sich nicht aufrechterhalten. Der Bedarf ist jedoch ungebrochen: „Die Verschärfungen im Ausländer- und im Sozialrecht begünstigen psychische Krisen bei MigrantInnen“, sagt Kabak. Manchmal kann sie Ratsuchende an andere Einrichtungen weiter vermitteln. In besonderen Notfällen vergibt sie einen Termin in ihrer eigenen „Transkulturellen Sprechstunde“ in der psychologischen Abteilung einer Bremer Klinik. Den Mangel auffangen kann dies kaum, der Wegfall der Förderung tut weh. „Das war ein Schock,“ sagt Kabak.

Für Petra Codré, Sprecherin von SPD-Sozialsenatorin Ingelore Rosenkötter, ist dies unverständlich. „Die Unterstützung für Deva war von Anfang an als Anschubfinanzierung gedacht“. Die Krankenkassen sollten mittelfristig die Kosten für die Beratungsleistungen übernehmen. Doch diese weigerten sich zu zahlen. „Schon Mitte 2006 haben wir Deva mitgeteilt, dass wir ab diesem Jahr die Förderung einstellen werden.“

Alleinige Schuld der Krankenkassen ist dies jedoch nicht: Im Förderungskonzept des Ressorts habe eine „Schwerpunktverlagerung“ stattgefunden, so Codré. Statt weiter niedrigschwellige Hilfe für Einzelpersonen in psychischer Not zu finanzieren, entschied die Behörde, künftig lieber Initiativen mit Multiplikator-Effekt zu fördern. Die ehemaligen Deva-Mittel fließen nun in die Qualifizierung von KursleiterInnen von „Familienorientiertem Integrationstraining“ (FIT). Das FIT-Projekt versucht – ebenfalls in freier Trägerschaft – mit Erwachsenenbildung migrantische Familien in Integrationsfragen zu unterstützen. Finanzielle Gründe hatte das Aus für die psychosoziale Beratung von Deva nicht, sagt Codré: „Die Höhe der aufgewendeten Mittel ist gleich geblieben.“ Ob die geänderte Schwerpunktsetzung auch unter der neuen Koalition Bestand hat, lässt Codré offen: „Darüber muss noch nachgedacht werden.“ Christian Jakob