Schauspieler sollen Vorbilder werden

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit hat ein Kieler Institut dem Rauchen in Film und Fernsehen den Krieg erklärt. Das Ergebnis seiner neuesten Studie: Die deutschen Produktionen sind im internationalen Vergleich am schlimmsten und damit für Kinder und Jugendliche ein schlechtes Vorbild

Die Autoren fordern eine Diskussion, doch ihr logisches Ziel müsste die Auslöschung von Rauchbildern sein

von DANIEL WIESE

Die Liste der inkriminierten Sendungen ist lang. Der „Bericht aus Berlin“ zeigt Gerhard Schröder, Willy Brandt und andere Politiker Zigarre oder Zigarette rauchend, tags zuvor taucht im „Länderspiegel“ ein Zigarette rauchender Lastwagenfahrer auf, noch einen Tag vorher raucht Müntefering bei den Verhandlungen zum Koalitionsvertrag. Und das sind jetzt nur die Infosendungen, bei den Magazinen sieht es nicht besser aus mit ihren rauchenden VW-Arbeitern. „Leute heute“: Robbie Williams hantiert mit einer Zigarettenschachtel, und bei „taff“ auf Pro 7 raucht Mickey Rourke.

Die Liste ist viel länger, kein Genre bleibt außen vor, und das Ergebnis ist so klar wie niederschmetternd: In keinem anderen Fernsehen wird so viel gequalmt wie im deutschen. Zu diesem Schluss kommt die Studie „Rauchen in Film und Fernsehen“ des Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung in Kiel, das auch die Nichtraucher-Aktionen „Be smart – don’t start“ und „Just bei smokefree“ durchführt.

Zentral für die Untersuchung ist die Kategorie des „Rauchereignisses“: „Tabakrauchereignisse sind definiert als aktives Rauchen oder Hantieren mit Tabakprodukten“, schreiben die Forscher und unterscheiden dabei „Tabakrauchvorkommnisse“ und „Tabakrauchepisoden“ – je nachdem, ob eine Hintergrundfigur raucht oder ein Serienstar. Letzteres ist schlimmer, wegen der Identifikation. „Ein positives Beispiel lieferte das ZDF, das dem Münsteraner Privatdetektiv Wilsberg das Rauchen untersagt hat.“

Um was es bei der Sache geht, wird beim Blick auf den zweiten Teil der Studie klar, der sich mit den „Wirkungen auf Kinder und Jugendliche beschäftigt“: Dort behaupten die Forscher, dass die Wahrscheinlichkeit, mit dem Rauchen anzufangen, steigt, je mehr Sendungen und Filme mit „Rauchereignissen“ angeschaut werden. Schlussfolgerung: Rauchen im Film sei ein „Risikofaktor“.

Vor diesem Hintergrund ist dann auch klar, was von Serien wie „Ein Fall für zwei“ zu halten ist, bei der in 97 von 100 Folgen geraucht wurde – mit einem Spitzenwert von durchschnittlich 5,7 Tabakrauchereignissen pro Folge. Das sei sogar mehr als in Bollywood-Filmen und japanischen TV-Dramen, schreiben die Kieler Forscher.

Einen generellen Unterschied zwischen rauchenden Ex-Bundeskanzlern und Serienhelden kann das Kieler Institut nicht erkennen, denn auch reale Personen kämen als Identifikationsfiguren in Frage. Die Kinder könnten die Bilder rauchender Politiker so interpretieren, „dass politische Macht mit dem Rauchstatus kovariiert“. Mit guten Beispiel sei in diesem Punkt Altbundespräsident Johannes Rau vorangegangen, der sich möglichst von keiner Fernsehkamera mit Zigarette erwischen ließ.

Fordern die Autoren der Studie auch lediglich ein „Monitoring“ und Diskussionen nach US-amerikanischem Vorbild, so müsste das logische Ziel die Auslöschung von Rauchbildern sein. Und was für das Fernsehen gilt, gilt erst recht für das Kino, wo die Stars noch eine ganz andere Macht über die jungen Seelen haben. Für Kinofilme sind die Ergebnisse der Studie besonderes deutlich: Bei den Tabakrauchereignissen liegt der deutsche Film uneinholbar mit 14,5 Vorfällen pro Film vorne, gefolgt von US-amerikanischen (6,7 Vorfälle) und anderen europäischen Filmproduktionen (6,4 Vorfälle).

Finanziert wurde die Studie vom Bundesgesundheitsministerium, die Drogenbeauftragte der Bundesregierung hat sich der Sache angenommen: „Es ist mein Anliegen“, schreibt sie, „die Häufigkeit des Rauchens im deutschen Fernsehen und deutschen Kinoproduktionen zu senken.“ Regisseure, Produzenten und Programmchefs sollen dabei helfen.