DER RECHTE RANDWie in Bad Nenndorf ein rechtes Geschichtsbild wackelt
: Trauer – um Kommunisten

Die Mobilisierung läuft. Zum sechsten Mal halten rechtsextreme Kameradschaften im niedersächsischen Bad Nenndorf (Kreis Schaumburg) einen „Trauermarsch“ ab. Vor dem „Wincklerbad“, das von 1945 bis 1947 eine britisches Verhörzentrum war, planen sie eine Kundgebung unter dem Titel „Der Opfer gedenken und die Täter beim Namen nennen“.

Seit dem Verbot der Rudolf-Heß-Gedenkmärsche in Wunsiedel versucht das „Gedenk-Bündnis“ um Marcus Winter in Nendorf einen neuen zentralen Aufmarsch zu institutionalisieren. Bezug nehmen die Rechtsextremen auf angeblich verschwiegene „Verbrechen der Alliierten“ zwischen 1945 und 1947. Nicht ohne Erfolg: Bis zu 1.000 Teilnehmer folgen dem Ruf ins Niedersächsische inzwischen. Und nun das: Mehrere der „Opfer“, derer man da gedenken will, waren eigentlich „Rote“. So schreiben es Utz Anhalt und Steffen Holz in ihrer neuen Studie „Das verbotene Dorf“.

Zwar saßen in Bad Nenndorf auch Nazigrößen wie Waffen-SS-General Oswald Pohl ein, der als Mitorganisator des Holocaust gilt. Im Aufruf zu ihrem „Trauermarsch“ aber nennen die Neonazis unter „von den Alliierten wurden ermordet“ namentlich Walter Bergmann und Franz Österteicher. Beide waren als Kommunisten inhaftiert worden. Ebenso wie Heinz Biedermann und Gerhard Menzel, laut Aufruf Opfer britischer Folter.

Schon 1946 wurden im Wincklerbad erste mutmaßliche sowjetische Spione und vermeintliche Kommunisten festgehalten und misshandelt. „Die kurze Phase der Dominanz antifaschistischen Bestrebungen“, so Anhalt und Holz, sei da bereits durch einen „militanten Antikommunismus abgelöst“ gewesen. Als das Bad aufgelöst wurde, bildeten die „Roten“ gar die große Mehrheit der Insassen.

Den braunen Trauermarsch nennt Holz einen „Lügenmarsch“: Denn wer glaube ernsthaft, fragt er, dass „heutige Nazis“ um Kommunisten trauern?

Hinweis:ANDREAS SPEIT arbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland