OFF-KINO
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

In 35 sorgfältig ausgewählten starren Einstellungen von je zweieinhalb Minuten Länge entwirft der amerikanische Avantgardist James Benning in „El Valley Centro“ (1999) das Porträt eines Ortes. Bennings Totalen, deren Sinn sich nicht immer auf den ersten Blick erschließt, zeigen die Strukturen der vom Menschen kultivierten Landschaft des Central Valley und dabei vor allem den massiven Eingriff in die Natur. Da liegen landwirtschaftlich genutzte Flächen direkt neben Ölfeldern und Abraumhalden, die „Infrastruktur“ in Form von Highways und Eisenbahnschienen durchschneidet das Land; ein stillgelegtes Atomkraftwerk steht in der Landschaft herum. Absurderweise werden in der Wüste mit Reis und Baumwolle Pflanzen angebaut, die besonders viel Wasser benötigen, und auch diese Strukturen werden in „El Valley Centro“ sichtbar: Kanäle, Leitungen und Wasserwerke überall. (8. 8., Filmrauschpalast)

Los Angeles zur Zeit des Golfkriegs: ein Ort cholerischer Vietnamkriegsveteranen, bowlender Päderasten und deutscher Nihilisten. Jedenfalls sahen die Coen-Brüder dies in „The Big Lebowski“ (1998) so. Mittendrin: Jeff „The Dude“ Lebowski (Jeff Bridges), ein zumeist vollgedröhnter Späthippie und Pazifist mit einer Vorliebe für White-Russian-Cocktails und das Bowlen. Zufällig landet er in einer obskuren Entführungsgeschichte, die mit ihrem Personal von zwielichtigen Frauen, Gangstern, Polizisten und dubiosen Pornoproduzenten nicht von ungefähr an Chandlers „The Big Sleep“ erinnert. Und irgendwie scheinen es immer alle auf das Auto des Dude abgesehen zu haben … Sein totales Desinteresse ist letztlich die probate Methode, alles Ungemach von sich abzuwenden – am Ende wirkt er wie ein letzter unbestechlicher Moralist inmitten eines Sumpfs von Verbrechen, Sex, Dekadenz und Nihilismus. (OmU 5. 8., Freiluftkino F’hain)

Captain Colter Stevens (Jake Gyllenhaal) erwacht in einem Vorortzug von Chicago, eine ihm fremde junge Frau nennt ihn Sean, und der Blick in den Spiegel der Zugtoilette zeigt ein ihm unbekanntes Gesicht. Angeblich ist er Lehrer, doch er erinnert sich an einen Einsatz als Hubschrauberpilot in Afghanistan. Acht Minuten später explodiert der Zug mit all seinen Insassen. Doch wenig später kommt Captain Coulter erneut zu Bewusstsein: Nun befindet er sich scheinbar angeschnallt in einer Art Kapsel, in der er lediglich über einen Monitor Kontakt zur Außenwelt in Gestalt einer wenig auskunftsfreudigen uniformierten Frau (Vera Farmiga) halten kann. Was ist hier los? In dem spannenden Science-Fiction-Thriller „Source Code“ erzählt Regisseur Duncan Jones im Rahmen einer Art Detektivgeschichte (Wer hat den Zug gesprengt und droht nun noch größeres Unheil anzurichten?) von einem zweifelhaften wissenschaftlichen Experiment, das immer wieder Fragen aufwirft: zur Identität des Individuums und zur Existenz von Parallelwelten, ob der Zweck wirklich alle Mittel heiligt und was ethisch eigentlich noch vertretbar ist. Intelligent und unterhaltsam. (OF 4. 8.–10. 8., Intimes; 6. 8.–7. 8., Central; 7. 8., Kulturforum) LARS PENNING