Militante wollen keine Brandstifter mehr sein

Seit Wochen will das Bundeskriminalamt die „Militante Gruppe“ (MG) ausfindig machen. Bisher ohne Erfolg. Nun eröffnet die MG in der Autonomen-Zeitung „Interim“, dass sie mit einer Reihe von Anschlägen nichts zu tun haben will

In Internetforen der linken Szene kursierten bereits Verschwörungen, die vielen Autoanschläge der jüngsten Zeit hätten gar nicht Linksradikale verübt. Das Bundeskriminalamt (BKA) sei am Werk gewesen, um die Anschläge als Rechtfertigungsgrund zu nehmen, linke Strukturen zu durchleuchten. Wer jedoch die aktuelle Autonomen-Zeitung „Interim“ liest, wird eines Besseren belehrt. Darin wimmelt es geradezu an Bekennerschreiben.

„Wir haben in der Nacht zum 18. 5. als Antwort auf die BAW-Razzia Einsatzfahrzeuge der Berliner Polizei (…) zum Abtransport in die Schrottpresse bereitgestellt“, heißt es in einer Anschlagserklärung der „Militanten Gruppe (MG)“. Gleich daneben in schnörkeliger Schreibschrift ein Bekennerschreiben einer sogenannten „Militanten Kampagne“ zum Anschlag auf den Mercedes von Bild-Chefredakteur Kai Diekmann am 9. Mai in Hamburg. Und in einer weiteren Erklärung bekennt sich wiederum die MG zum Brandanschlag auf Fahrzeuge der Bundespolizei im Januar.

Doch gerade diese Erklärung überrascht. Denn anders als in den Bekennerschreiben der vergangenen Jahren nehmen die Verfasser nun ausführlich Stellung zu den sogenannten militanten Aktionen der jüngsten Zeit. Auf sechs Din-A4-Seiten äußern sie sich zu den Razzien des BKA auf mutmaßliche G-8-Gegner Mitte Mai und zu der „Gewaltdebatte“ im Rahmen der Anti-G-8-Proteste. Dabei kommt heraus, dass sich die MG für einen Großteil der Brandanschläge gar nicht verantwortlich fühlt – zahlreiche Aktionen kritisiert sie sogar.

Besonders scheint die anonymen Verfasser des Schreibens ein seit Monaten im Internet kursierender Aufruf einer „Autonomen Gruppe Berlin“ zu ärgern. Bekannt hat sich diese Gruppe zu konkreten Brandanschlägen zwar nicht, doch ruft sie zu einem bundesweit „langgezogenen Volxsport-Wettbewerb zum G8-Gipfel“ auf. Der Wettbewerb ziele auf „eine Kreativität nach dem Motto ‚Widerstand muss Spaß machen‘ “ ab und rutsche damit „kräftig ins Absurde“ ab, schreibt die MG. Als „entpolitisierte Karikatur einer militanten Kampagne“ bezeichnet sie den Aufruf. Zudem ließe sich selbst nach dem Löschen bei einigen der abgefackelten „Nobelkarossen“ unschwer erkennen, dass es sich um Klein- und Mittelklassewagen handelte, die einfach das Pech hatten, zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort neben dem 60.000-Euro-Audi geparkt zu haben. Die „regelmäßigen Beifänge“ würden Militanz auf ganzer Linie diskreditieren.

Diese deutlichen Worte sind ungewöhnlich: Bislang hatte es die MG vermieden, öffentlich allzu scharfe Kritik gegenüber anderen linksradikalen Mitstreitern zu üben – muss sie mit ihren klandestinen und auch in der Linken umstrittenen Aktionen doch selbst ständig um die viel beschworene Solidarität fürchten. Nun distanziert sich die Militante Gruppe selbst von einigen Protestformen und ihrem eigenen Solidaritätsmodell unter der Linken. FELIX LEE