: Länderfusion durch die Hintertür
Die Regierungschefs von Berlin und Brandenburg, Wowereit und Platzeck, geraten immer wieder aneinander. Tatsächlich arbeiten beide Länder enger zusammen als jede andere deutsche Region
VON UWE RADA
Vor kurzem gelobten sie wieder einmal Besserung. Auf einer Tour auf Potsdams schicker Kulturinsel „Schiffbauergasse“ beteuerte Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD): „Es gibt keine Eiszeit.“ Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (auch SPD) war höflich und widersprach nicht. Kurz zuvor hatte er jedoch die Fusion der beiden Wirtschaftsförderungen gestoppt.
Von einer Länderfusion sind Berlin und Brandenburg also, trotz aller Nettigkeiten auf der Schiffbauergasse, weit entfernt. Dabei funktioniert die Zusammenarbeit beider Länder geräuschlos und verlässlich, wie eine gemeinsame Landesplanungskonferenz in der vergangenen Woche zeigte.
Vordergründig ging es dabei um den Flughafen Schönefeld und die Entschlossenheit Wowereits und Platzecks, die Regionalflughäfen in Eberswalde und Cottbus nicht zu Billigairports auszubauen. Tatsächlich aber einigten sich die Regierungschefs sowie Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer und Brandenburgs Infrastrukturminister Reinhold Dellmann (beide SPD) auf nicht weniger als eine gemeinsame Raumordnung für die beiden Länder.
Noch firmiert das Werk unter dem sperrigen Titel „Landesentwicklungsplan Berlin – Brandenburg“. In Wirklichkeit aber ist es der erste gemeinsame Plan, auf den sich beide Länder verständigt haben. Wenn der „Lep B-B“, wie er im Raumordnungsslang heißt, 2008 verabschiedet wird, löst er nicht nur die bisherigen Pläne zum Speckgürtel („engerer Verflechtungsraum“) und Brandenburgs Peripherie („äußerer Entwicklungsraum“) ab. Er reduziert auch die Zahl der Mittelzentren von derzeit 153 auf 54. Nicht nur in der Förderpolitik lautet die Parole der Stunde „Stärken stärken“. Sondern auch in der Raumordnung, also der Festlegung auf jene Orte mit zentraler Bedeutung für Versorgung, Handel, Gesundheitsdienstleistungen und Verkehr.
Abkehr von einer Illusion
Wichtigstes Ziel des neuen Plans ist es, Wachstum und Innovation voranzutreiben, sagte Gerhard Steintjes, der Leiter der gemeinsamen Landesplanungsabteilung, auf einer Veranstaltung am Dienstagabend in der Brandenburgischen Landesvertretung. Der Lep B-B sei deshalb auch eine Abkehr vom alten Leitbild der dezentralen Konzentration. Dieser Versuch, Brandenburgs Entwicklung auf berlinferne Städte zu konzentrieren, sei „eine Illusion gewesen“, sagte der Raumplaner Hans Blotevogel von der Uni Dortmund. Er sieht im gemeinsamen Landesplan die Chance, sich wieder auf das Machbare zu konzentrieren.
Das klingt gut, verhehlt aber nicht, dass es bei der Länderehe durch die Hintertür auch Verlierer gibt. Viele Städte fürchten, dass der Verlust der Funktion eines Mittelzentrums den weiteren Abstieg nach sich zieht. In manchen Städten wie Baruth oder Angermünde geht gar schon die Angst um, künftig zum Biomasseproduzenten für die Hauptstadt degradiert zu werden. Verstärkt werden diese Befürchtungen, weil es den Verantwortlichen bislang nicht gelungen ist, schlüssige Antworten auf die Frage zu geben, was aus dem ländlichen Raum werden soll.
Immerhin versuchen die Verantwortlichen, im Lep B-B eine neue Kategorie in ihr Planwerk hineinzubringen – die Kulturlandschaften. Die sollen, so steht es im Entwurf, den die beiden Regierungschefs auf der Landesplanungskonferenz verabschiedet haben, „als Träger der regionalen Identität bewahrt und durch Kooperation zwischen Städten und Dörfern entwickelt werden“. Was aber nutzt es einer Stadt wie Angermünde, in der Kulturlandschaft Schorfheide-Chorin zu liegen, wenn gleichzeitig Angebote im schulischen oder Versorgungsbereich abgebaut werden?
Speckgürtel verschlankt
Zweifelsohne Fortschritte bringt der Plan für Berlin und das Umland. Hier haben sich beide Seiten darauf geeinigt, die Flächen für neue Wohnsiedlungen und Gewerbeparks auf die vorhandenen Verkehrsachsen zu konzentrieren. Dadurch sollen auch die Grünzüge, die wie der Naturpark Barnim weit in die Stadt reichen, gesichert werden. Der Speckgürtel wird, trotz des Wachstums im Umland, wieder schlanker.
Gleiches gilt für den Einzelhandel. Shopping-Malls und großflächige Einkaufszentren sollen, sagte Planungschef Steintjes, auf die Siedlungskerne beschränkt bleiben. Einkaufen auf der grünen Wiese soll also der Vergangenheit angehören, mit einer Ausnahme, so Steintjes: „Baumärkte und Gartencenter können dort weiter entstehen.“