Föderalismus auf dem Kaffeedeckchen

FINANZEN Eine Gruppe pensionierter Politiker fordert den großen Wurf der Bund-Länder-Finanzbeziehungen: Die Länder sollen stärker um ihre Einnahmen konkurrieren

BERLIN taz | Henning Voscherau (SPD) wählte am Montag im Café Tucher am Brandenburger Tor die ganz große Keule: Jetzt sei die letzte Chance gekommen, einen immer zentralistischeren Staat zu verhindern und die Weichen umzustellen, appellierte der ehemalige Hamburger Bürgermeister an alle „Einsichtigen“.

Worum geht es? Um die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern. In einem vierstufigen Verfahren werden rund 8 Milliarden Euro Steuereinnahmen zunächst unter Bund, Ländern und Kommunen aufgeteilt und dann zwischen den Ländern so umverteilt, dass am Ende annähernd ausgeglichene Lebensverhältnisse herrschen sollen. Länder wie Bayern, die viel abgeben müssen, finden diesen Ausgleich zunehmend lästig.

Seit einigen Monaten beraten Politiker von Bund und Ländern nun, wie die Finanzbeziehungen neu geordnet werden können. Bis 2019 müssen sie eine Lösung gefunden haben, denn dann laufen der Solidarpakt II und die Regelungen zum Finanzausgleich aus. In die festgefahrenen Verhandlungen um Soli und Ausgleich platzen nun Voscherau und andere Kollegen a. D. vom „Konvent für Deutschland“. Der Konvent, eine laut LobbyControl „elitäre wirtschaftsnahe Lobbygruppe“, schlägt vor, den Länderfinanzausgleich radikal zu verschlanken und zu vereinfachen. Mit wissenschaftlicher Schützenhilfe des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung werben sie dafür, dass die Länder mehr Steuerautonomie bekommen und Zuschläge oder Abschläge auf Einkommen- und Lohnsteuer erheben dürfen. Es entstünde eine Art Wettbewerbsföderalismus, den die Politiker a. D. schmeichelnd „Verantwortungsföderalismus“ nennen.

Die Chancen auf Umsetzung sind indes gering. Die „Uneinsichtigen“ sitzen vor allem im SPD-Lager und in den ärmeren Bundesländern. ANNA LEHMANN