Populäre Hausmannskost bei Lexy & K-Paul, ausgefuchste Molekularküche bei Jason Forrest

Man muss ja nicht so tun, als ob das einfach wäre. Sich da hinstellen. Ein paar Platten auflegen, ein paar CDs einschieben, ein paar MP3s antriggern. Welche Hilfsmittel auch immer der DJ heutzutage benutzt, das Ziel bleibt doch immer dasselbe: die Leute zum Tanzen zu bringen. Mit Musik. Klingt so simpel. Ist aber, wie gesagt, gar nicht so einfach. Ein Kunststück ist es vor allem dann, wenn gelingt, was Lexy & K-Paul an so ziemlich jedem Wochenende weltweit gelingt. In welchen Club auch immer die beiden Berliner auflegen, und das sind ziemlich viele, sie finden scheinbar zielsicher immer den heiklen Punkt zwischen Massenbespaßung und Glaubwürdigkeit. Das gelingt dem DJ-Duo so überzeugend wie kaum jemandem sonst in der Branche, weshalb Alexander Gerlach und Kai Michael Fuchs seit Jahren schon zu den am besten gebuchten Schallplattenunterhaltern gehören. Nun ist ihnen diese Gratwanderung auch im Studio gelungen: Für „Psycho“ haben die beiden einen ganzen Sack voll Tracks programmiert, die mal sehr effektvoll düster dahingleiten und mal doch lieber den Sommer auf den Dancefloor holen. Mit „Faultline“ zeigen sie, wie man einen effektvollen Popsong konstruiert, nur um kurz darauf mit „Automatic“ zu beweisen, dass ihnen auch krumme Beats mit Kunstanspruch und krudem Sounddesign nicht fremd sind. Mal sind sie ganz altmodisch und lassen Sequenzer und Samples für sich sprechen, dann wieder holen sie sich Vokalisten ins Studio. Darunter ist zwar schon mal verkaufsfördernde Prominenz wie Princess Superstar, aber die Mehrheit sind befreundete Lokalheroen wie Ono von Data MC. Von billigen Taschenspielertricks wollen Lexy & K-Paul aber schon aus Prinzip nicht lassen: Für „Gonna Fly Now“ unterlegen sie die grauenhaft abgenudelte Erkennungsmelodie der Rocky-Filme mit einem nicht allzu einfallsreichen Beat. „Psycho“, das ist, man muss es so sagen, Kraut und Rüben für den Tanzboden. Allerdings richtet niemand das Zeug so clever an wie Lexy & K-Paul.

Vom Populismus zur Sektiererei: Jason Forrest war niemals darauf aus, einen Club zum Kochen zu bringen. Der in Berlin lebende US-Amerikaner hat die Möglichkeiten der elektronischen Klangerzeugung vor allem zur Irritation seines Publikums genutzt: Mal nennt er sich Donna Summer, oft stülpt er sich seltsame Sachen auf den Kopf, meistens fertigt er völlig unzugängliche Breakbeats. Auf „The Everything“, seinem ersten Produzenten-Album seit erstaunlichen sechs Jahren, zitiert sich Forrest durch die populäre Musik, macht ein paar Abstecher in die Klassik, und erzählt ein paar krude Insiderscherze. Und macht dann noch einen blöden Witz. Man nennt das wohl eklektisch, und man kann, wenn man will, hören: Electric Light Orchestra, Burial, Uriah Heep, Bartok. Oder vielleicht auch was ganz anderes. Wenn man sich darauf einlässt, hat man großen Spaß. Wenn man keinen Spaß haben will, dann hat man keinen Spaß. Aber man soll ja bloß nicht so tun, als wär das einfach, Musik zu machen, die so vollkommen durchgeknallt ist. THOMAS WINKLER

■ Lexy & K-Paul: „Psycho“ (Musicismusic/Kontor)

■ Jason Forrest: „The Everything“ (Staatsakt/Rough Trade)