BERLINER PLATTEN
: Männer werden melancholisch: Lasse Matthiessen und Bernhard Eder blasen gerne und ganz sportiv den Trübsal-Blues

Ein streunender Hund ist so etwas wie ein Steppenwolf. Vielleicht nicht ganz so gefährlich, die nette Variante sozusagen, und mit entschieden weniger Pathos und nicht ganz so viel literarischem Anspruch. Ein „Stray Dog“ ist auch ein Plattentitel, ein ziemlich beliebter sogar. Diesmal hat ihn sich Lasse Matthiessen ausgesucht und auf die Rückseite dieser CD einen Hund gezeichnet, wie mit einem Kuli, nur ein paar Striche auf einer Serviette. Vorne drauf ist denn auch der nasse Rand eines Glases, vermutlich Bier, so gelb ist er, der Rand.

Das hat auch seinen Grund: Nämlich den, dass der Däne Matthiessen seit einigen Jahren beständig pendelt zwischen Kopenhagen und Berlin, aber hier erst angefangen hat, mit seiner Musik durch die Kneipen zu ziehen. Und in solchen Etablissements fängt man sich schon mal schnell einen Bierfleck ein. Und auch den Blues, den Matthiessen auf „Stray Dog“ beständig bläst. Singt natürlich. Dazu wird die Gitarre gezupft. Selten nur kommt die Begleitband zum Einsatz, rührt der Schlagzeugbesen, rumort der Bass ganz liebevoll und hin und wieder krächzt eine Mundharmonika verzweifelt. „Soon The Spring“ heißen die Lieder, „Before We Disappear“ oder „Borrowed Time“. Also, man kann es sich schon denken: Es geht viel um die Vergänglichkeit des Daseins, die Vergänglichkeit der Liebe und die Vergänglichkeit der Zeit. Kurz: Ein Mann wird melancholisch. Männer werden das ja gern mal. Also: Matthiessen erfindet auf „Stray Dog“ nichts Neues, aber er vertont souverän noch einmal den trüben Blick, der sich bietet, wenn man durch ein Bierglas auf eine rauchgeschwängerte Kneipe guckt, für die die Einführung der Sperrstunde zu spät kommen würde.

Auch Bernhard Eder knüpft im Albumtitel an eine schöne Tradition an. „The Livingroom Sessions“ erinnert nicht von ungefähr an die untergegangene Wohnzimmer-Szene Berlins. Der Wiener, der seit acht Jahren unter dem Decknamen Tschutt den Vorsänger gibt bei den österreichischen Indierockern [wa:rum] und als Be One auch schon an den Grenzen zwischen Gitarrenpop und Elektronik forschte, zog im September 2006 in die deutsche Hauptstadt. Mit dem Albumtitel erweist er seinem neuen Lebensmittelpunkt angemessene Referenz und umreißt wie nebenbei auch noch sein musikalisches Programm: Auch beim Eder wird ausgiebig geklimpert, wenn auch weniger aufs Räudige, demonstrativ Unrasierte gesetzt als bei Matthiessen. Stattdessen kommen neben der stets wohltemperierten Akustikgitarre noch Geige, Cello und Glockenspiel zum Einsatz. Dazu hebt Eder mitunter kaum seine zerbrechliche Stimme, singt bisweilen fast tonlos vom Abschiednehmen, vom Sichfesthalten und vom Langweiligsein. Kurz: Ein Mann wird noch melancholischer. Oder auch: Trübsalblasen als Hochleistungssport.

So geben sich Matthiessen und Eder als professionelle Leisetreter, die einem anderen melancholischen Sohn der Stadt, einem Echtberliner, das Wasser abzugraben drohen: Maximilian Hecker hat ernsthafte Herzensbrecher-Konkurrenz bekommen. THOMAS WINKLER

Lasse Matthiessen: „Stray Dog“ (Zpektakel) zu beziehen über contact@zpektakel.com

Bernhard Eder: „The Livingroom Sessions“ (Solaris Empire/ Broken Silence)