Auf die kurze Bank geschoben

Das Parlament macht Überstunden, um den Landesbank-Verkauf abzusegnen. Gegen Grünen- und CDU-Protest soll der Erlös in den Haushalt fließen. Bankenkritiker beklagen geheime Eilentscheidung

Am Ende ging alles ganz schnell: Nur vier Wochen liegen zwischen der Senatsankündigung, die Landesbank Berlin (LBB) an den Sparkassenverband zu verkaufen, und der gestrigen Absegnung im Abgeordnetenhaus. Vor der Plenardebatte hatten die Grünen kritisiert, der Milliardendeal auf Grundlage eines rund 500-seitigen Vertrages würde zu schnell zur Abstimmung gestellt. Die Abgeordneten hätten nicht genügend Zeit gehabt, sich das Vertragswerk genau anzuschauen. Nach der Segenserteilung durch das Landesparlament bedarf der Deal noch der Zustimmung des Kartellamts, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der EU-Kommission. Das Land musste sich wegen EU-Sanierungsauflagen bis Ende 2007 von der einstigen Bankgesellschaft Berlin trennen, die nach dem Immobilienskandal inzwischen wieder Gewinne schreibt. Die Berliner Bank wurde bereits im vergangenen Jahr an die Deutsche Bank verkauft. MLO

VON MATTHIAS LOHRE

Zumindest versuchen wollte er es. Mit rund 20 Mitstreitern stand Peter Grottian, der ausdauerndste Kritiker des Berliner Bankenskandals, gestern im Nieselregen vor dem Abgeordnetenhaus. Der Ex-FU-Politologe wollte die Parlamentarier abfangen, die zur Plenarsitzung ins Abgeordnetenhaus strömten, um dem Verkauf der Landesbank (LBB) ihren Segen zu geben. „Das Parlament stimmt über einen Kaufvertrag ab, den die Öffentlichkeit nicht kennt. Die Parlamentarier sind blind“, klagte Grottian. Doch zur Blindenheilung kam es nicht. Polizisten nahmen den Protestierenden die Transparente ab und erteilten ihnen Hausverbot.

Die kurzfristig anberaumte Debatte fand hinter verschlossenen Türen statt. Zur Begründung gab die Abgeordnetenhausverwaltung an, das sehe die Geschäftsordnung des Parlaments vor, wenn es um Vermögensgeschäfte geht. Doch schon vorher war klar: Dem LBB-Verkauf würde im Parlament eine breite Mehrheit aller fünf Fraktionen zustimmen. Der Senat beorderte sogar Parlamentspräsident Walter Momper (SPD) und seine zwei Stellvertreter von einer Mongoleireise zurück, um das Geschäft früher als ursprünglich geplant absegnen zu können. Die Finanzverwaltung hatte vorgerechnet, das Land lasse sich täglich 400.000 Euro Zinseinnahmen entgehen.

Die gestrige Debatte bildete den Schlusspunkt einer schier endlosen Kontroverse über die Zukunft der in Landesbank umgetauften Bankgesellschaft Berlin. Zwar gestanden Mitte Juni selbst die Oppositionsparteien zähneknirschend ein, dass der Verkauf an den Deutschen Spar- und Giroverband (DSGV) zum Preis von insgesamt 5,3 Milliarden Euro ein Erfolg sei. Doch seither geht es bei einer Frage kreuz und quer durch die Fraktionen: Wohin soll der Senat die Euromilliarden stecken, und zu welchem Zweck?

Noch vor wenigen Wochen verkündete Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD), 4,62 Milliarden Euro würden in einen Sonderfonds einfließen – und nicht in den Landeshaushalt. Der Fonds war als Puffer geplant für den Fall, dass auf das Land weitere Kosten zurollen wegen der gescheiterten Immobiliengeschäfte der Bankgesellschaft in den 90er-Jahren. Nur die stille Einlage Berlins bei der Landesbank in Höhe von 723 Millionen Euro sollte direkt in den Haushalt fließen. Das ist jetzt anders. Der Senat will das gesamte Geld in den Nachtragshaushalt für das laufende Jahr stecken und die 4,62 Milliarden Euro als Rücklage verbuchen. Dort sollen die Mittel zweckgebunden für die Risikoabschirmung bereitstehen.

Für die Grünen-Landesvorsitzende Barbara Oesterheld ist das weit mehr als eine buchhalterische Frage: „Wenn Herr Sarrazin diese Einnahme im Berliner Landeshaushalt verschwinden lässt, anstatt ein Sondervermögen zur Deckung der anstehenden Verpflichtungen anzulegen, muss die nächste Generation diese Schulden allein aus den laufenden Einnahmen begleichen.“ Die CDU-Fraktion sieht das ähnlich. Sie brachte gestern einen Gesetzesantrag ein, der die Errichtung eines Sondervermögens vorsah. Der finanzpolitische SPD-Fraktionssprecher Stefan Zackenfels konterte, der Unions-Vorschlag bringe „einen weitaus größeren Anteil an Bürokratie mit sich“. Ein Sondervermögen sei auch immer ein „eigenständiger Buchungskreislauf außerhalb des Haushaltes“ und daher dem Parlament „nicht ohne weiteres zugänglich“.

Dem Verkauf stimmten die Parlamentarier trotzdem zu, allerdings nicht in namentlicher Abstimmung. Die vor dem Eingang als „Blinde“ gescholtenen Abgeordneten mussten nur ihre Hand heben.