TANIA MARTINI LEUCHTEN DER MENSCHHEIT
: Aspekte der Tauschgesell- schaften

Es ist viel geschrieben worden über das Töten des Anders Behring Breivik. Laute Journalisten haben schnell die „geistigen Brandstifter“ der Tat identifiziert oder haben dem Morden noch einen Nutzen abringen können, der darin bestehen soll, dass „wir“ zu mehr Aufklärung voranschreiten können. Anders Behring Breivik als starkes Argument gegen den Blödsinn, den die sogenannten Islamkritiker erzählen. Dort die Toten, hier die Argumente, das ist nicht bloß eine perfide Logik.

Freilich kann Islamophobie nicht einfach mit „Blödsinn“ abgetan werden. Aber es sollte genau überlegt sein, was die vorgetragenen Ableitungen zum Ausdruck bringen. In guter Gesellschaft befindet man sich nicht mit der Begrifflichkeit vom geistigen Brandstifter. In den Siebzigerjahren diente diese Form der Denunziation bereits den reaktionären politischen Kräften dazu, alles, was links von der CDU stand, mit den Morden der RAF in Verbindung zu bringen, um so Kritik von vornherein zu denunzieren. Das war in Italien im Zusammenhang mit den Roten Brigaden nicht anders. Diese Denkbewegung nun unter anderen Vorzeichen aufzugreifen, erzeugt nicht bloß den Verdacht des Populismus. Man fragt sich, wie eine so direkte Verbindung von Wort und Tat überhaupt festgestellt werden kann. Die Rede ist dann häufig von Ideologie. Die Ideologie des Henryk M. Broder erzeuge solche Taten. Ideologie wird dort verstanden als unwahres Ideengebäude, das direkten manipulativen Zugriff auf Individuen habe. Der Zugriff verläuft von oben nach unten. Die Sprecherposition ist eine machtvolle. Lars von Trier, der nicht den avanciertesten Kunstbegriff hat, hat seinen Filmen umgehend eine entsprechende Wirkkraft bestätigt: Er hätte den Film „Dogville“ nicht gedreht, wenn er um die Folgen gewusst hätte, sagt da einer, der neulich noch Hitler sympathisch fand.

Zurück zu den lauten Journalisten. Populismus, instrumentelle Rationalität und ein unterkomplexer Ideologiebegriff kennzeichnen die eingangs dargelegten Argumente. Und bleibt man bei der Frage nach der Denkfigur, die den scheinbaren Gewissheiten zugrunde liegt, dann kommt man angesichts einer Aufklärung, die in Hetze mündet, auf ein Diktum Theodor W. Adornos und Max Horkheimers aus ihrer 1947 veröffentlichten „Dialektik der Aufklärung“ zurück, demzufolge Aufklärung immer schon in Mythologie und Kultur in Barbarei umzuschlagen droht.

Die Autorin ist Redakteurin für das Politische Buch Foto: privat