Singen, um nicht zu weinen

Auf Kuba hat der Rap längst ein eigenes Gesicht. Und wird auch staatlich gefördert. International erfolgreich sind bislang aber nur die Exil-Raperos „Orishas“. Morgen Abend sind sie in der Fabrik zu hören

Während eines Essens soll Harry Belafonte dem Máximo Líder der kubanischen Revolution den Hip-Hop erklärt haben. Offenbar mit einigem Erfolg. So beeindruckt soll Fidel Castro gewesen sein, dass er sich dazu hinreißen ließ, Hip-Hop kurz darauf zur Avantgarde der Revolution zu erklären. Doch damit nicht genug. Am Rande eines Baseballspiels wurde Fidel sogar beim Rappen neben der Gruppe „Doble Filo“ beobachtet.

Dabei sah es anfangs nicht so gut aus für den Hip-Hop auf Kuba. Die ersten Stücke, die die Karibikinsel während der 80er über US-amerikanische Radio- und Fernsehstationen erreichten, verhallten musikalisch nahezu ohne Echo. Die kubanischen Jugendlichen breakten – ein Mikro jedoch nahm kaum jemand in die Hand. Erst zu Beginn der so genannten „Sonderperiode“ – im Anschluss an den Zusammenbruch der Sowjetunion – fasste der Sprechgesang zunehmend Fuß, traf aber auch auf große Skepsis, nicht nur auf Seiten der Regierung. Denn die kubanischen Raperos der ersten Generation machten sich zunächst einfach die aggressive Haltung und die Textinhalte der US-amerikanischen Rapper zu eigen. Hip-Hop erschien so vielen als ein weiterer kulturimperialistischer Angriff der USA, der die Gewalt und Probleme der dortigen Ghettos exportierte.

Diese Einschätzung änderte sich in dem Maße, in dem der Rap Cubano sich zunehmend auf die eigene Wirklichkeit bezog und begann, sich der kubanischen Musikkultur zu bedienen. Langsam bekam die Sache Schwung. Nehanda Abiodun, eine Aktivistin der US-amerikanischen Black Liberation Army im kubanischen Exil, begann zusammen mit dem Malcolm X Grassroot Movement, alternative Hip-Hopper nach Kuba zu bringen. Weitere Starthilfe für die Wahrnehmung von Hip-Hop als authentische kubanische Kultur leisteten zudem die Promoter Rodolfo Renzoli und die „Grupo Uno“. Mit Hilfe der Asociación Hermanos Saíz (AHS) – einer eng mit der kommunistischen Jugendorganisation zusammenarbeitenden Nichtregierungsorganisation, die Nachwuchskünstler unterstützte – riefen sie 1995 ein jährlich stattfindendes internationales Hip-Hop-Festival im Distrikt Alamar ins Leben – die Plattenbausiedlung am Rande Havanas gilt als Geburtsort des kubanischen Hip-Hop. Mos Def, Talib Kweli und „The Roots“ sind dort schon aufgetreten. Im Jahr 2000 begannen schließlich auch die staatlichen Labels BIS und EGREM Hip-Hop zu veröffentlichen, und 2003 gründete die Regierung die Agencia Cubana de Rap und der Rap Cubano wurde offiziell zu einem – nun auch staatlich geförderten – Teil der kubanischen Kultur.

Bis nach Europa hat es der kubanische Rap aber bislang selten geschafft. Die mittlerweile in Frankreich lebenden Exil-Raperos „Orishas“ sind da die große Ausnahme. Wer Kuba bislang vor allem für eine friedliche Ferieninsel gehalten hat, kann morgen Abend in der Fabrik von den Freuden und Problemen der Welt hinter den weißen Sandstränden des „Socialismo tropicana“ hören. „Wir singen nicht um zu singen, sondern um nicht zu weinen“, ist das Motto der drei Orishas, die dort ihre Melange aus Hip-Hop, Rap und kubanischer Musik wie Son und Bolero auf die Bühne bringen. Denn die Raperos Yotuel Manzanares und Hiram Riveri und der Son-Sänger Roldan Rivero beschäftigen sich in ihren Songs vor allem mit den politischen Problemen der Insel – (Kinder-)Prostitution, Rassismus, Emanzipation. Aber auch Freundschaft, Nachbarschaft, Familie und Probleme des alltäglichen Lebens sind Thema.

2004 erhielten die Orishas für ihren Sound den Latin Grammy als beste Hip-Hop-Band.

ROBERT MATTHIES

So, 15. 7., 21 Uhr, Fabrik, Barnerstraße 36