urdrüs wahre kolumne
: Mit offenem Fenster

ULRICH REINEKING, Journalist und Kabarettist, würde nicht mal dem geizigsten Fluggast echte Unbill wünschen.

Heute kommen die Biker-Horden zigtausendfach nach Hamburg zum unmittelbaren Terrorisieren der Stadt durch den satten Sound und die hochgiftigen Auspuffgase ihrer Harleys. Das Heiligengeistfeld wird zur potenziellen Todeszone für alle, die keinen stählernen Pisspott auf dem Schädel tragen, und verantwortlich für all dieses Elend ist ein politischer Genehmigungsklüngel, dessen Verantwortungsträger davon träumen, ihren Posten mit dem Präsidentenjob bei den Hells Angels vertauschen zu können.

Mit verstockter Taubheit geschlagen ist offensichtlich Niedersachsens Kultusminister Bernd Busemann, der als fanatisch-bedenkenloser Anhänger der Selektionsanstalt Gymnasium jetzt erklärte: „Ich fahre seit zwei Tagen mit offenem Fenster durchs Land. Rufe nach der Gesamtschule kann ich nicht wahrnehmen.“ Abgesehen von diesen Gebrechen scheint mir der Herr auch noch sehr verlogen: Wer dieser Tage ständig bei offenem Fenster gefahren wäre, läge doch längst schon mit Lungenentzündung oder zumindest steifem Nacken im Krankenbett.

Aus angeblich ungeklärten Gründen geriet die Bundeswehrfregatte „Augsburg“ mit ihren 220 Mann Besatzung vor Helgoland in Brand, ohne dass bis zur Rückkehr nach Wilhelmshaven auch nur einem Matrosen das Deppenbänzel angesengt wurde. Ich tippe mal auf einen missglückten Versuch des Herrn Schäuble, mit einem vorgetäuschten Al-Qaida-Anschlag für Stimmung zu sorgen.

In Bremen erlebe ich dieser Tage in einem Herrenlokal unweit des Hauptbahnhofs und seltsamerweise zur Musik von Roger Whittaker eine Gruppe fußballbegeisterter Jungmänner mit Stapeln klebriger Fußballbilder aller Jahrgänge vor sich, aus denen sie ihre Werder-Wunschelf zusammenstellen und die Trikots danach mit Filzstiften grün einfärben. Zwar habe ich als diskreter Beobachter nicht die komplette Mannschaftsaufstellung mitbekommen, war aber schon verblüfft, dass diese vergleichsweise jugendlichen Fans immer noch Franz Beckenbauer für den Sturm usurpieren wollten.

In seiner Ergebenheitsadresse an Bürgermeister Ole von Beust äußert sich ein Uriz von Oertzen als „Vorsitzender der Interessengemeinschaft Musikwirtschaft“ nach dem „Live Earth“-Konzert wie folgt: „Dieses Ereignis hat wie kein anderes zuvor in der Geschichte die weltweite Aufmerksamkeit auf Hamburg gelenkt … Ein eindeutiges Bekenntnis zum Popstandort Hamburg, wie dies zuvor kein Bürgermeister gegeben hat und ein großer Schritt, um Hamburg auf der Weltkarte der Musik zu etablieren.“ Schmieriger und plumper geht’s ja nun gar nicht mehr!

Wo immer man dieser Tage in der Kneipe hockt, wird man zugetextet von keineswegs anonymen Trinkern, die sich gerade bei German Wings, Easyjet oder Ryanair ein Ticket nach irgendwo für ganze 19 oder 29 Euro besorgt haben. Mir aber träumte jetzt von seriellen Abstürzen bei den norddeutschen Billigfliegern und als Prophet des klimaschützerischen Alltags will ich es nicht unterlassen, darauf hinzuweisen. Niemand soll in den letzten Sekunden seines Lebens behaupten können, er sei nicht rechtzeitig in seiner Heimatzeitung gewarnt worden von ULRICH „Nostradamus“ REINEKING