„Politik muss Einfluss haben“

Der einstige NDR-Intendant Peter Schiwy attackiert die Schwerfälligkeit der Gremien des Norddeutschen Rundfunks. Und stellt sich hinter den am Freitag gewählten Intendanten Lutz Marmor

PETER SCHIWY, * 1936, gelernter Journalist und promovierter Jurist, von 1987 bis 1991 NDR-Intendant, ist heute u. a. Partner einer Anwaltskanzlei.

taz: Herr Schiwy, der NDR hat ein neues Intendantengespann. Ist das Duo Marmor/Beyer eine gute Wahl?

Peter Schiwy: Ich habe Arno Beyer einst zum Chef von NDR 2 berufen, er ist ein ausgezeichneter Journalist. Zu Lutz Marmor kann ich wenig sagen: Ich kenne ihn kaum. Aber auch ihn begleiten meine guten Wünsche.

Es gibt bereits Kritik, der jetzige WDR-Verwaltungschef Marmor sei zu „graumäusig“ für einen Posten, der Gestaltungskraft verlangt.

Auch unter meinen Vorgängern waren Männer aus der Verwaltung. Sie haben dem NDR dennoch zu bundesweiter Strahlkraft verholfen.

Sie sind CDU-Mitglied. 1991 mussten Sie die Intendanz des NDR räumen, obwohl ihr Vertrag noch lief – zuvor war in Niedersachsen eine rot-grüne Koalition an die Macht gekommen. Sind Sie ein Opfer der SPD?

Es gibt keinen direkten Beleg dafür, dass mich die Sozialdemokraten von meinem Posten gemobbt haben. Aber sicher ist der Zusammenhang, dass zu diesem Zeitpunkt zum ersten Mal alle drei damaligen Staatsvertragsländer von SPD-Ministerpräsidenten geführt wurden, nicht übersehbar. Aber: Ich habe längst meinen Frieden mit dieser Entwicklung gemacht.

Stimmt das Gerücht, dass der damalige grüne Europaminister Jürgen Trittin und Gerhard Schröders Ex-Frau Hillu das SPD-Mitglied Lea Rosh zur Funkhauschefin in Hannover ausgekungelt haben?

Ich habe davon gehört.

Der scheidende Intendant Jobst Plog hat immer wieder vor einem „Raubzug“ der Politik im öffentlich-rechtlichen NDR gewarnt. War die soeben beendete Wahl frei von politischer Einflussnahme?

Das Bundesverfassungsgericht hat die so genannte „Staatsferne“ der Sender eingefordert. Es wäre dennoch vermessen und realitätsfern, Landesregierungen aus ihrer Verpflichtung für ihre jeweilige Rundfunkanstalt zu entlassen. Ehrlich ist, einzugestehen, dass SPD und CDU seit Jahrzehnten treu für ihre Schutzbefohlenen ARD und ZDF sorgen. Deshalb sind die Entscheidungen der Sender-Gremien nie frei von politischen Überlegungen. Eine solche Ansammlung öffentlichen Vermögens wie der Großtanker NDR darf nicht ohne Einfluss der Politik bleiben.

Dennoch hat die Farbenlehre bei der aktuellen Intendantenkür eine nicht gerade glückliche Rolle gespielt: Viele potenzielle Plog-Nachfolger sind als Kandidaten genannt – und damit verbrannt – worden. Zeigt sich in der Wahl auch eine Krise der Gremien?

Ja. Je größer ein Gremium, desto schwerfälliger ist es. Es ist fragwürdig, ob im Rundfunkrat der niedersächsische Landesfrauenrat oder der schleswig-holsteinische Mieterbund vertreten sein müssen. Ich will die Gremien nicht angreifen. Aber: Das Riesenunternehmen NDR hat bereits zu meiner Zeit täglich 110 Stunden Hörfunk und 23 Stunden TV gesendet. Es kann nur schwer von Personen im Nebenberuf beaufsichtigt werden, die nicht einmal über einen Apparat wie ein Feierabendparlament verfügen.

Ist es richtig, dass Niedersachsen mit der Wahl des hannoverschen Funkhausdirektors Arno Beyer mehr Gewicht im Vier-Länder-Gefüge bekommt?

Es war stets geradezu die Pflicht der Ministerpräsidenten aus dem größten NDR-Land, nach mehr Einfluss zu rufen. Deshalb kann ich verstehen, dass die Niedersachsen jammern und auf Ausgleich drängen. Aber: Sendersitz ist die Medienstadt Hamburg, nicht Hannover. Sonst müsste auch das ZDF im Bundesland des größten Gebührenaufkommens irgendwo in Nordrhein-Westfalen sitzen – warum nicht Wanne-Eickel statt Mainz? INTERVIEW: KAI SCHÖNEBERG