In kurzen Hosen

Wodka gegen Diesel: Die Mercedes-Benz Fashion Week ging erst mal tüchtig feiern in der russischen Botschaft

Die Freunde des Modestandorts Berlin machen sich Sorgen. Ob die neue Modewoche, benannt nach einen Automobilkonzern, tatsächlich das ist, was Berlins Modeszene zum Fortkommen braucht, das wurde ganz gern und nicht nur hinter vorgehaltener Hand diskutiert. In manchen Modehäusern herrschte relative Unklarheit, was man sich von einem Auftritt der neuen Veranstaltung überhaupt verspricht.

Wie solche Diskussionen für eine Weile effektiv zu verdrängen sind, das exerzierte zum Auftakt das Label Hugo mit seiner Eröffnungsshow und anschließendem Festprogramm vor. Über die Show am Brandenburger Tor, die in erfrischender Kürze über die Bühne ging, ist schnell beinahe alles gesagt. Man versucht es gefällig tragbar und unauffällig. Das ausschließlich aus Nasskämmern rekrutierte Laufsteg-Personal trägt sehr viel weiß, manchmal kurze Hosen; auch die langen Hosen waren sehr kurz, weswegen die Kollektion auch unter dem Vorzeichen des Klimawandels betrachtet werden darf.

Eventuelle Betrübnis beim Premierenpublikum verflog reichlich schnell, als es sich in der russischen Botschaft zur sogenannten Aftershow-Party einfand und selbst die Hartgesottensten feststellen mussten, dass dieser mythenumwitterte Ort mit allerlei Spiegeln und extrem vielen Kronlüstern noch ein wenig spektakulärer ist, als es sich Optimisten erhofft hatten. Auf den dicken Läufern, die diskret allen Trittschall schlucken, könnte gleich ein Faberge-Ei daherkullern, hinter jeder verschlossenen Tür könnte sich das Bernsteinzimmer verbergen. Und ein 1-a-Lüftungssystem und reichlich Wodka gibt es auch noch. Der weitläufige Garten würde selbst den sommerfest-gestählten Bundespräsidenten erfreuen, liegt zudem zentraler als dessen Schlosspark und ist mit vielen Bars versehen. Zweifel an der politisch nicht ganz unproblematischen Wahl des Ortes verloschen in der Nacht zum Freitag rasch und willig: Feiern als Menschenrecht - wo gibt es das noch.

STEFAN OSTERHAUS

Mercedes-Benz Fashion Week, bis 15. Juli