Dramaturgie der Revolution

THEATER Wie junge SchaupielerInnen am Moks-Theater zusammen ein Bühnenstück über den arabischen Frühling produzieren und dabei eine andere Sicht auf die politische Welt bekommen

Arabischer Frühling? Ja, da war was, im Politikunterricht. Doch, es hat sie „schon interessiert“, sagt Cennet Özel – „gezwungenermaßen“. Dann kam dieses eine Gespräch mit zwei Ägyptern, zwei, die selbst mit dabei waren, mitkämpften. Und diese beiden Sätze: „Ich wusste, ich könnte jeden Augenblick sterben. Aber wenn, dann würde es mich mit Stolz erfüllen.“ Cennet Özel kamen die Tränen.

Zusammen mit sechs anderen jungen SchauspielerInnen und Regisseur Wanja Lange arbeitet die Schülerin gerade an einem Theaterstück. „Arabischer Jasmin“ heißt es, im September wird es im Theaterkontor uraufgeführt. Es entsteht auf der „Plattform für Junge Theatermacher“, Tank genannt, als Projekt der Jungen Akteure Bremen, also der Moks Theaterschule. Seit gut vier Wochen arbeiten sie schon zusammen an dem Theaterstück, Tag für Tag, von früh bis spät. In den Schulferien.

Die Idee dazu hatte Wanja Lange. Der 23-Jährige studiert Theater-, Film- und Medienwissenschaft in Wien. 2008 hat er im Rahmen eines freiwilligen sozialen Jahres in Bremen das Stück „Lucy – auf der Suche nach dem ehrlichen Moment“ auf die Bühne gebracht, auch bei den Jungen Akteuren. Es war ein Stück über vier junge Menschen, die sich auf einer Party treffen, sich kaum kennen – und wahre Freunde suchen. Jetzt hat ihn das Thema „Optimismus“ umgetrieben, sagt er, aber auch die Krise, die Frage: „Bricht das System zusammen?“. Und er war „fasziniert“, sagt er, wie Zehntausende in Ägypten oder Tunesien auf die Straße gingen, mutig für Freiheit gekämpft hätten, nach Jahrzehnten der Unterdrückung, ja, „bereit waren, zu sterben“.

Also wollte er das irgendwie auf die Bühne bringen, zusammen mit sieben jungen Nachwuchs-SchauspielerInnen, die alle kaum jünger sind als er selbst, mit zwei Musikern, mit zwei Videokünstlern. Anfangs haben sie viel über Träume gesprochen, über Revolution, und Ohnmacht, Youtube-Videos geguckt, mit den Straßenschlachten aus Ägypten, einen Film über die Protestbewegung in Spanien. Dass es am Ende Ägypten wurde, ist eher einer zufälligen Begegnung in der Straßenbahn geschuldet: Lange traf zwei Ägypter, die für gerade mal drei Wochen in Bremen waren – und selbst mit demonstriert hatten. Er lud sie ein, 46 Fragen wurden zusammen getragen, auf 18 zusammen gekürzt, in einem dreistündigen Gespräch abgearbeitet und auf Video aufgenommen. Das wird am Ende mit ins Stück einfließen. Wie genau ist noch unklar. Die sieben SchauspielerInnen haben dazu „viele tolle Text geschrieben“, sagt Lange, über ihre Träume, ihre Ohnmacht, ihre Visionen. Immer wieder.

Sie suchen nach theatralen Ausdrucksformen für den Drang nach Freiheit, Gerechtigkeit und Selbstbestimmung, für Fragen nach dem Gewicht des Einzelnen in einer scheinbar fremdbestimmten Welt, nach der Rolle von Twitter und Facebook.

Fast alle aus dem Ensemble haben schon anderswo in Bremen Theater gespielt bei B.E.S.T, Bremens erstem schulübergreifenden Theater, im Moks, im Schnürschuh Theater, im Concordia.

Bislang haben sie viel zusammen improvisiert. „Das Meiste entsteht spontan“, sagen sie. Am Ende wird es wohl nicht die eine durcherzählte Geschichte, sondern eher ein Gegenüber aus einer absurden, bunten Zukunftsdebatte und Fakten, Gefühlen und Stimmungen aus Ägypten. Dazu wird es Live-Musik geben, an insgesamt zehn Abenden wird „Arabischer Jasmin“ gespielt werden, unter anderem auch bei „Explosive“, dem Internationalen Festival für Junges Theater, das ab 15. September in Bremen stattfindet.

Jan Zier

Premiere: 14. September, 19 Uhr, Theaterkontor, Schildstraße 21