Ein Märchenwald für die Sounds

SOMMER Techno, House oder Minimal: das Berliner Luft und Liebe Festival im ehemaligen Vergnügungspark Plänterwald

Eine rostige Achterbahn, deren Schienen in ein weit aufgerissenes Drachenmaul führen, ein 45 Meter hohes Riesenrad, Fachwerkhäuser, umgestürzte Dinosaurier und eine Bimmelbahn ergeben eine Märchenlandschaft, wie sie verwunschener nicht sein könnte.

Das Berliner Luft und Liebe Festival hat dem vor sich hin rottenden ehemaligen Vergnügungspark „Spreepark“ im Plänterwald während der vergangenen drei Tage Leben eingehaucht.

Seit 2002 ist der Park mittlerweile schon geschlossen. Mehrtägige Veranstaltungen gab es seither nur wenige.

In nur sieben Monaten wurde der Rummelplatz aus dem Boden gestampft und schließlich als einziger der DDR am 4. Oktober 1969 eröffnet. Jährlich zog er da noch bis zu 1,5 Millionen Besucher an - die Zeiten sind aber schon lange vorbei. 2001 waren es nur noch 400.000. Der gestiegene Eintrittspreis von 30 DM und fehlende Parkplätze werden dafür verantwortlich gemacht. Der letzte Besitzer des „Spreeparks“, Norbert Witte, geriet in die Schlagzeilen, als er 167 Kilo Kokain in seinem Fahrgeschäft „Fliegender Teppich“ nach Holland schmuggeln wollte.

Nutzungsideen für das verwitternde Gelände gab es bisher schon viele, Früchte getragen haben aber nur wenige.

Alle Wiedereröffnungsversuche sind bisher gescheitert, genauso wie das Vorhaben von Permakultur-Studenten, das Areal in eine Kulturstätte zu verwandeln oder der Einfall des schweizerischen Autors Erich von Däniken, seinen „Mystery Park“ hier neu aufzulegen. Auf dauerhaftes Interesse stoßen nur noch Spreepark-Führungen und vereinzelte Veranstaltungen.

Die „Berliner Luft Event GmbH“ wählte dieses Jahr das atmosphärische Gelände für die vierte Ausgabe des „Kulturfestivals für Kunst und elektronische Musik“. Wer wollte, konnte drei Tage lang bei gefühlten 30 Grad unter der musikalischen Anleitung von 60 DJs, darunter Kollektiv Turmstraße, Krause Duo oder Monkey Maffia, auf fünf Floors durchtanzen.

Raus aus den Kellern

Mit zweistündiger Verspätung, was die Stimmung erst mal sacken ließ, ging es noch ohne Musik am Freitagabend los. Im Dunkeln überstrahlten die Lichteffekte den melancholischen Schleier über dem alten Riesenspielplatz. Gelbe Fledermäuse wurden auf den Boden, psychedelische schwarze und weiße Streifen auf die Fassaden projiziert. Das gelb, rot, grün und blau beleuchtete Riesenrad war der Mittelpunkt des Festivalgeländes.

„Im ersten Jahr waren 1.200 Leute da, das hat sich stetig gesteigert. In diesem Jahr sind es schon so zwischen 7.000 und 9.000“, sagte Veranstalter Jakob Ellwanger. Mit dem Festival wollte er sich von der Masse abheben: „Ziemlich viel geht in der Berliner Feierszene im Mittelmaß unter und zeichnet sich nicht durch Detailfreudigkeit aus.“

Deshalb legte er auf genau die großen Wert: Im Luftpostamt der Wünsche konnte man seine tiefsten Bedürfnisse gen Himmel schicken, Seifenblasen wurden vom Wind über die Dinowiese getrieben und die Goldstaub Musen verschönerten die Feierwütigen. „Wir sind in diesem Jahr das erste Mal dabei. Es ist für uns eine große Möglichkeit hier zu spielen. Für uns ist es wichtig, die Liebe, die wir fühlen, über das Auflegen an die Leute zurückzugeben“, brachte Christopher Wayne Tooker vom Produzentenduo KMLN (kameleon) Berlin das während der drei Tage herrschende hippieske Lebensgefühl zum Ausdruck.

Der Standort, die Musik und die Stimmung gaben ein entspanntes Gesamtpaket ab. Ein märchenhafter Vergnügungspark ist das beste Aushängeschild für die Elektroszene in der „Welthauptstadt des Elektro“. Berghain, Watergate oder die etlichen Kellerclubs Berlins will doch mittlerweile keiner mehr sehen. LUISA DEGENHARDT