Die Menge macht’s nicht

Trotz sinkender Meldungs- und Ermittlungszahlen hält man in Niedersachsen an der Korruptionsbekämpfung per anonymer Email fest. Kritiker halten das System wegen der hohen Zahl an Falschmeldungen für ineffizient

Die Zentralstelle Korruption des Landeskriminalamts Niedersachsen gibt sich alle Mühe, die Tragweite des Problems deutlich zu machen: „Korruption“ steht auf der Internetseite und hinter drei roten Pfeilen: „Bestechlichkeit. Verderbtheit. Sittenverfall“. Und weiter: „Macht abhängig! Macht arbeitslos“. Niedersachsen machte sich 2004 zumindest technisch zum Vorreiter in Sachen Korruptionsbekämpfung, indem es mit dem Computersystem „Business Keeper Monitoring System“ (BKMS) die Möglichkeit schuf, per Email anonym Hinweise auf Korruption zu geben. Entscheidend dabei ist, dass technisch ausgeschlossen ist, den Absender der Meldung zu identifizieren. Doch ob dieses Werkzeug effizient ist, ist durchaus umstritten.

Die von dem SAP-Mitbegründer Dietmar Hopp ins Leben gerufene Stiftung „Pro Justitia“ gab bei dem Juristen Otto Backes eine Studie in Auftrag, der zufolge das System überproportional viele haltlose Vorwürfe produziere. Backes zufolge ist es 2004, nach Abschluss der einjährigen Pilotphase, bei 185 überprüften Fällen zu nur einer einzigen Verurteilung gekommen. Nachdem die niedersächsischen Grünen 2006 auf Grundlage von Backes’ Studie eine Anfrage an Innenminister Schünemann (CDU) richteten, wies der die Kritik energisch zurück. Zum einen seien Backes’ Untersuchungsmethoden durchaus umstritten, und schließlich sei das große Gefälle zwischen Hinweisen und Ermittlungsverfahren Zeichen für den „verantwortungsvollen Umgang der Ermittlungsbehörden beim Bejahen eines Anfangsverdachts, sofern dieser allein auf Angaben eines anonymen Hinweisgebers beruht“.

Dass die Hinweiszahlen von 552 im Jahr 2004 auf 289 im Jahr 2005 zurückgegangen sind und 2005 lediglich 17 Ermittlungsverfahren eröffnet wurden, während 2004 noch 111 Hinweise zur Einleitung von Ermittlungsverfahren geführt hatten, ist für das Innenministerium kein Anlass, die Effizienz des Systems in Zweifel zu ziehen. „Schon wenn ein Hinweis zu einem Strafverfahren führt, lohnt es sich“, so der Sprecher des Ministeriums. „Sicherheit misst sich nicht immer an den Investitionen.“ Über die hatte man bei der Anfrage der Grünen keine Angaben machen können.

Bundesweit hat der Anteil der Verfahren, die aufgrund externer Hinweise eingeleitet wurden, zugenommen. Doch auch Jochen Bäumel, Vorstandsmitglied der Antikorruptionsorganisation „Transparency International“ sieht in den geringen Fallzahlen von BKMS in Niedersachsen nicht notwendigerweise einen Hinweis auf dessen Ineffizienz. „Das System hat präventiven Charakter – wenn man weiß, dass es existiert, kann es durchaus auch abschreckende Wirkung haben.“ Dass der Umgang mit den anonymen Hinweisen schwierig bleibt, bestätigt Bäumel: „Es erfordert das richtige Fingerspitzengefühl.“ GRÄ