Kriminelle Kinder sollen nicht hinter Gitter

Mehr Therapie statt geschlossene Heime: Senat und freie Träger planen größere Verbindlichkeit bei der Unterbringung und Betreuung von strafunmündigen Kindern. Intensivtäter Adnan S. kommt in geschlossene Jugendeinrichtung

Der rot-rote Senat plant angeblich kein geschlossenes Heim für strafunmündige kriminelle Kinder. Aber die therapeutische Hilfe für unter 14-jährige Intensivtäter soll verbessert werden. Darauf haben sich gestern Bildungssenator Jürgen Zöllner und Justizsenatorin Gisela von der Aue (beide SPD) verständigt. Zöllner habe seiner Verwaltung bereits einen entsprechenden Prüfauftrag erteilt, sagte dessen Sprecher Kenneth Frisse auf Anfrage.

Das Evangelische Jugend- und Fürsorgewerk (EJF), das im Umland diverse Einrichtungen für delinquente Kinder und Jugendliche betreibt, teilte mit, man habe mit Zöllners Verwaltung bereits entsprechende Verhandlungen aufgenommen. Ziel sei, für schwerkriminelle Kinder künftig Einrichtungen mit einer „größeren Verbindlichkeit zu therapeutischen Zwecken zu schaffen“. Aufgekommen war die Diskussion an dem Fall eines 13-jährigen Intensivtäters, der in einer Einrichtung des EJF untergebracht war. Die Betreuer schickten ihn aber wegen seiner Aggressivität nach Berlin zurück.

Was Zöllner und EJF mit einer Verbesserung des therapeutischen Angebots meinen, bleibt einstweilen ein Geheimnis. Die Berliner Zeitung sprach gestern von einem Gefängnis light für junge Straftäter.

Bisher betreibt das EJF unter anderem die Einrichtungen „Insel“ und „Weidenhof“ für straffällige Kinder. Die Häuser befinden sich in Nordbrandenburg fernab der Zivilisation. 12 der vorhandenen 17 Plätze sind dort zurzeit von Intensivtätern aus Berlin belegt. Die Unterbringung sieht bewusst weder Mauern noch Gitter und auch keine Bewachung vor. Wenn sie wollen, können die Kinder jederzeit abhauen. Fachleute verteidigten das Konzept bislang immer damit, in offenen Häusern könne besser auf Kinder eingewirkt werden als in geschlossenen.

Die Pressemittelung des EJF erklärt nicht, inwieweit bei einer eventuell neu geschaffenen Einrichtung an dem offenen Konzept festgehalten werden soll – und wie man dabei gleichzeitig zu einer „größeren Verbindlichkeit zu therapeutischen Zwecken“ kommen will. Denkbar wären Maßnahmen wie ein größerer Betreuungsschlüssel und zeitweise Ausgangssperre. Mit beidem könnte verhindert werden, dass sich die Untergebrachten zu leicht entfernen können.

Hintergrund der aktuellen Debatte ist der Fall des 13-jährigen Intensivtäters Adnan S. Der Junge war am Freitag zum dritten Mal innerhalb von zwei Wochen mit einem gestohlenen Fahrzeug erwischt worden. Auf der Flucht vor der Polizei hatte er eine Woche zuvor einen Unfall verursacht, bei dem eine Frau verletzt wurde. Er wurde danach im „Weidenhof“ des EJF untergebracht. Dort widersetzte sich der Junge den pädagogischen Bemühungen, so dass ihn die Betreuer mit der Polizei nach Berlin zurückschickten. Zurzeit soll er sich in Obhut des hiesigen Jugendnotdienstes befinden. Am Donnerstag soll er in einer geschlossenen Jugendeinrichtung untergebracht werden. Schon als 10-Jähriger soll er eine Gleichaltrige zum Oralverkehr gezwungen haben. Bei der Polizei sind zurzeit 6 Kinder als Intensivtäter registriert. PLUTONIA PLARRE