Mehr als ein Iraner

BÜCHER Der Bremer Sujet Verlag hat sich auf persische Exilliteratur spezialisiert. Die Nische ist noch da, aber der Verlag kam aus ihr heraus

Anfangs hatte sich der Verlag auf iranische Literatur festgelegt. Heute kommen die Autoren von überall

Madjid Mohit hat 72 Lieblingsbücher. Wenn er beim Erzählen auf eines zu sprechen kommt, geht er zielstrebig auf ein Regal zu und greift, ohne zu suchen, nach dem richtigen Exemplar. Oft sagt er dann: „Ein tolles Buch, wirklich ein tolles Buch.“ Mohit ist ein großer Fan der Werke, die er in seinem Sujet Verlag herausgibt. Das Bremer Ein-Mann-Unternehmen ist vor allem auf iranische Exilliteratur spezialisiert. „Man kommt automatisch zu dieser Nische, aus meiner Situation heraus ergab sich das.“

Seine Situation: Das war aus seiner Heimat Iran zu flüchten, durch Zufall in Deutschland zu stranden und eine neue Existenz aufzubauen. Diese begann 1996 mit einer alten Druckmaschine in einem Keller und ist heute ein Buchverlag, der 72 Titel veröffentlicht hat.

Mohit stammt aus einer Verlegerfamilie. Doch das Zensuramt im Iran habe seine Arbeit massiv behindert, erzählt er. Anfang der 1990er Jahre entschloss er sich zu fliehen. Mit falschen Papieren wollte er über Zypern, Ägypten und Deutschland nach Kanada auswandern. Am Frankfurter Flughafen flog er auf und durfte nicht weiterreisen. „Ich konnte nicht zurück, deshalb bin ich hier geblieben“, sagt der Verleger.

Das erste Buch, das im Sujet Verlag erschien, war „Die Schatten“ von Mahmood Falaki, eine Erzählung über einen Iraner, der in seinen Kindheitserinnerungen nach dem Mörder seines Onkels sucht. Das Buch ist bis heute verboten im Iran, weil ein Mullah und diverse erotische Szenen darin vorkommen. „Bei diesem Zensurministerium sind manche Wörter einfach nicht erlaubt – besondere Körperteile: Busen zum Beispiel“, sagt Falaki. Der Autor lebt seit 1986 in Hamburg und war drei Jahre zuvor auf ähnlich abenteuerliche Weise aus dem Iran geflüchtet wie Mohit. Deswegen fragt er sich auch: „Wenn jemand hier zwanzig, dreißig Jahre lebt, ist das, was er schreibt, dann immer noch Exilliteratur?“ Nach seiner Auffassung definieren das viele Menschen zu klischeehaft. „Sie denken sofort, alles was geschrieben wird, ist politisch, sind Klagen, Hilferufe, Schreie.“ Doch für ihn sei das Thema egal.

Eine Entwicklung hin zu dieser Einstellung hat auch Madjid Mohit durchgemacht. Am Anfang hatte sich Mohit ganz auf persische Literatur festgelegt. „Irgendwann merkte ich, das ist nicht meine Aufgabe“, sagt er. Mittlerweile reicht das Spektrum des Sujet Verlags von Liebesgeschichten und gedichten über Kinder- und Sachbücher bis hin zu Krimis. Die Autoren kommen von überall her, Nationalität ist kein Auswahlkriterium, obwohl viele orientalische Namen unter den Autoren rangieren. Dadurch hat Mohit seine Nische zwar nicht aufgegeben, ist aber doch weit aus ihr herausgekommen. Doch mit Profilverlust hat das nicht zu tun, findet er. Das ist wie mit der doppelten Staatsbürgerschaft: „Man ist nicht Deutscher, man ist nicht mehr Iraner, man ist irgendwie beides. Das ist auch eine Identität.“ (dpa)