Der Fehler liegt im System

LAGESO-CHEF IN KRITIK

Immer schön nach unten zu treten, ist eine beliebte Sportart in der Politik. In der Regel dient sie dazu, sich selbst aus der Schusslinie zu bringen – oder angestauten Frust abzureagieren. Auch die Dienstherren des für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständigen Landesamts für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) handeln offenbar danach – erst Sozialsenator Mario Czaja (CDU) und nun – Anfang der Woche im Sozialausschuss – der Amtschef Franz Allert selbst.

Es gab zahlreiche Berichte und Hinweise, dass in den letzten Wochen Flüchtlinge – angeblich wegen einer Masernepidemie – ohne jede Hilfe vom LaGeSo weggeschickt worden waren, übrigens ein klarer Verstoß gegen Recht und Gesetz. Trotzdem sprach Allert – so wie Tage zuvor Czaja – unverdrossen von „Einzelfällen“. Ja, er drohte gleichsam seinen eigenen Leuten: „Wir wissen noch nicht, welcher Mitarbeiter das gemacht hat.“

Den Persilschein, den er sich damit ausgestellt hat, kann er zweifelsohne gut gebrauchen – wegen seiner Paten-Affäre ist er ja schwer unter Beschuss. Doch nun einzelne Mitarbeiter für die Fehler im System verantwortlich zu machen, ist mehr als eine grobe Unsportlichkeit.

Um einen Systemfehler handelt es sich ganz offensichtlich: Zu zahlreich sind die Berichte – in verschiedenen Medien – von betroffenen Flüchtlingen. Zu eindeutig war die Aussage der zuständigen Personalrätin des LaGeSo, die ebenfalls von der illegalen Praxis des Amtes berichtete. Wer hier von „Einzelfällen“ redet, will von etwas Grundlegendem ablenken.

Zum Beispiel davon, dass ein Senator gut zwei Jahre lang kein Konzept vorlegte um den steigenden Flüchtlingszahlen gerecht zu werden – und nun von Überforderung redet. Oder davon, dass ein Amt beim Bau und Betrieb von Flüchtlingsunterkünften seit Jahren mit einigen wenigen – per Patenschaft verbandelten – Firmen kungelt und sich weder um die Belange der Flüchtlinge, noch um den Gebrauch von Steuergeldern zu scheren scheint.

Die Masern-Affäre scheint vorläufig beendet: Seit Mittwoch bekommen Flüchtlinge in Berlin wieder ein Dach über dem Kopf. Wie die Paten-Affäre ausgehen wird, kann man sich jetzt mit wenig Fantasie ausmalen: Es wird wohl ein Mitarbeiter gewesen sein. SUSANNE MEMARNIA