Alles fügt sich

Eine Aushilfskellnerin und ein Aushilfspianist: Sie finden sich in „As showtime goes by“, dem neuen Film von Lothar Lambert. Seine Hommage an alle die, die auch ohne Ruhm ihr künstlerisches Ding machen, zeigt die Brotfabrik

Auch wenn sie gut sind als Schauspieler und Musiker, ist es unwahrscheinlich, dass sie noch einmal berühmt werden

Es ist immer schön, wenn ein neuer Film des Moabiter Filmemachers Lothar Lambert herauskommt, gewöhnlich jedes Jahr einer. Die Premieren finden seit Jahren in der „Brotfabrik“ statt. Der angenehme Veranstaltungsort ist sozusagen die Homebase und beim Gucken hat man, fast wie der Zen-Gärtner, der mit der Harke jeden Morgen seine Kreise zieht, damit sich die Welt auch weiterdreht, das Gefühl von Kontinuität und Wandel.

In den Siebziger- und Achtzigerjahren war Lambert durch schmutzige, heute würde man sagen „queere“ Filme wie „Fucking City“ (81), „Berlin Harlem“ (74), „Die Alptraumfrau“ (81) oder „Fräulein Berlin“ (83) berühmt geworden. Danach verzichtete er auf explizite Sexszenen und drehte in den letzten Jahren eher Dokumentarfilme über Künstlerkollegen.

Wobei die Genres Spiel- und Dokumentarfilm bei Lambert nicht so scharf zu trennen sind. „Ich bin, Gott sei Dank, beim Film“ (2003) war ein schönes, anrührendes Porträt der im letzten Jahr im Alter von 84 verstorbenen Schauspielerin Eva Ebner, in „Küss die Kamera“ (2005) ging es um den von ihm beeinfluss- ten, aus Wien stammenden Trashfilmkollegen und Videothekenbetreiber Carl Andersen.

In seiner neuen Arbeit mit dem melancholischen Titel „As Showtime goes by“ erzählt der gerade auch in Momenten einer gewissen Kratzbürstigkeit sympathische Lambert von Berliner Kleinkünstlern – der Komikerin und Entertainerin Magy da Silva, die mit ihrem Partner zuweilen auch über brandenburgische Dörfer tourt; dem zwischen den Geschlechtern changierenden Dieter Rita Scholl, der es satt hat, dass man ihn immer nur als heroinsüchtige Transe casten will; „Brother Mad“, einen Rockmusiker mit Modeschöpfer-Vergangenheit, der zeitweise als Religionslehrer arbeitete, und das seltsamtolle Trio „Triple Sec“, das auf hohem musikalischem Niveau Chansons und Schlager aus neun Jahrzehnten parodiert und Live-Piano-Karaoke-Revuen veranstaltet.

Die teils berlinernden Helden sind eher über vierzig, und manchmal, wie der Pianist Lothar A. Runze von „Triple Sec“, auch wohl über sechzig. Auch wenn sie gute Künstler sind, ist es eher unwahrscheinlich, dass sie noch einmal berühmt werden; sie bedauern es, es ist aber auch nicht wirklich schlimm. Sie machen ihr Ding sozusagen, leben in Künstlerbeziehungen und fühlen sich auf der Bühne oft freier als im „echten Leben“.

Lambert zeigt sie in ihren Wohnungen in Kreuzberg, Moabit und Prenzlauer Berg, bei der Arbeit, wie sie über ihre Kunst, alte Träume, die Kindheit reden und in ihrer eher uneindeutigen Sexualität. Einmal auch erzählt er die Geschichte einer Beziehung: wie sich zwei Kleinkünstler, die als Aushilfscomedy-Kellnerin und Aushilfspianist für andere einspringen mussten, dann fanden.

Als Interviewer ist der Filmer immer präsent und bittet seine Gesprächspartner mit kindlicher Penetranz, schöne Schlüsselsätze noch einmal zu wiederholen: „Wir hatten Gesichter. Wir brauchten keine Dialoge“, deklamiert dann Dieter Rita Scholl zunächst, um im normalen Tonfall zu enden. Oder jemand sagt von sich: „Ich bin oft ernst. Aber wie man weiß, haben es ernste Menschen faustdick hinter den Ohren.“

Manche der Geschichten sind traurig. Zwei der Porträtierten erzählen fast beiläufig, dass sich ihre Väter das Leben genommen hatten. Komisches kommt auch vor, wenn einer von seiner Zeit als Sexdarsteller auf einer Bühne in Ontario berichtet.

Anfangs verliert man manchmal die Orientierung zwischen den Porträtierten, später fügt sich alles. Die seelenverwandte Zuneigung, die Lothar Lambert seinen Helden gegenüber empfindet, teilt sich auch dem Zuschauer mit.

DETLEF KUHLBRODT

„As Showtime goes by“, heute um 22 Uhr Premiere in der Brotfabrik, bis 25. 7. tägl. um 22 Uhr, 26. 7.–1. 8., tägl. um 20 Uhr