Das große Bunkersterben

23 Bunker können in Berlin noch als Schutzraum genutzt werden. Theoretisch. Die meisten wurden seit der Wende vernachlässigt, Schutz vor ABC-Waffen würde keiner bieten. Deswegen versuchen Land und Bezirke, sie loszuwerden

Täglich gehen Tausende an der unscheinbaren Eisentür vorbei. Die wenigsten ahnen, was sich dahinter tatsächlich befindet. Dabei genügt eine Schlüsseldrehung – und schon ist der Umsteigebahnhof Gesundbrunnen ein Schutzbunker. Er würde im Katastrophenfall mehreren tausend Personen Unterschlupf bieten.

Anders als in Hamburg, wo die Bunker nach wie vor aus dem Stadtbild nicht wegzudenken sind, muss man in Berlin schon genau hinschauen, um eine solche Schutzanlage zu erkennen. Der Bunker unter dem Bahnhof Gesundbrunnen ist dabei wohl noch einer der frequentiertesten – dank dem Verein Berliner Unterwelten, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, genau dort Führungen zu organisieren.

Laut Senatsverwaltung gibt es in der Stadt noch 23 Bunker oder ähnliche Schutzanlagen, die noch in ihrem ursprünglichen Sinn genutzt werden können. Die 16 Schutzbauten im Westteil der Stadt könnten insgesamt 24.500 Menschen aufnehmen, die sieben Tiefbunker im Ostteil verfügen über rund 2.500 Plätze. Damit würde im Ernstfall nur jeder 126. Berliner einen Platz bekommen, das ist weniger als ein Prozent der Bevölkerung. Grund für das Bundesinnenministerium, sich von dieser nicht mehr zeitgemäßen Form der Gefahrenabwehr zu verabschieden.

Für vier der Anlagen ist der Bund zuständig. 14.300 Euro muss er für die Betriebs- und Wartungskosten im Jahr übernehmen. Das ist ihm zu viel, und deswegen sollen sie verkauft werden (siehe Text oben). Sie alle befinden sich im Südwesten der Stadt (Heckeshorn, Eiderstädter Weg, Eiswald- und Nikolaistraße). Doch was passiert mit den anderen 19 Bunkern, für die nach Angaben der Verwaltung die Bezirke zuständig sind?

Sie sollen ebenfalls nach und nach verkauft werden. Denn als Schutzräume werden die meisten von ihnen schon lange nicht mehr ernsthaft in Erwägung gezogen. Berlins größter unterirdischer Katastrophenschutzbunker ist ebenfalls wie der am Gesundbrunnen an einen U-Bahnhof angebunden: Siemensdamm in Spandau. Platz für mehr Menschen bietet nur der Hochbunker an der Pallasstraße in Schöneberg. Die Anlage am Siemensdamm soll 4.300 Menschen vor herabfallenden Trümmern, Feuer, biologischen oder chemischen Kampfstoffen Schutz bieten. Und das 14 Tage lang. Für diesen Zeitraum zumindest gibt es Wasser, Luft und Kraftstoff zum Betreiben der elektrischen Anlagen. Spezielle Schleusen würden dafür sorgen, dass kontaminierte Menschen ihre Bekleidung entsorgen könnten und in spezielle Trainingsanzüge gesteckt werden.

Doch das ist nur Theorie. Denn Trainingsanzüge gibt es derzeit am U-Bahnhof Siemensdamm nicht. Auch keine Lebensmittel und keine Medikamente. Die Gelder wurden seit der Wende sukzessive gekürzt. Wie die meisten Bunker ist auch der am Siemensdamm in den letzten Jahren zunehmend verwaist.

Regelmäßig genutzt wird nur noch der Atombunker in Charlottenburg. Er wurde Anfang der 70er-Jahre zusammen mit dem Ku’damm-Karree errichtet. Seit 1999 kann die Anlage als Teil der Ausstellung „The Story of Berlin“ besichtigt werden. Aber auch dieser Bunker hat allenfalls noch symbolische Bedeutung. Ausreichend Schutzanzüge gegen Radioaktivität gibt es auch für die Besucher der Ausstellung nicht.

FELIX LEE