Geteilte Ressourcen

KUNST UND THEORIE Wem gehört die Welt? Das Internationale Sommerfestival auf Kampnagel in Hamburg fragt mit Musik, Tanz, Theater, Kunst und Theorie nach der Verfügungsgewalt über Gemeingüter

Wie schwer es ist, gemeinsam vernünftig zu sein, erfährt man auch ganz praktisch

VON ROBERT MATTHIES

Wem gehört das? Unmut hat sich im Vorfeld des diesjährigen Internationalen Sommerfestivals auf Kampnagel in Hamburg geregt: Verärgert ist man im Hamburger Clubbetreiber-, Veranstalter- und Booker-Interessenverband Clubkombinat über das umfangreiche Konzertprogramm im Rahmen des dreiwöchigen Festivals des subventionierten Kulturzentrums am Osterbekkanal. Stars wie Anna Calvi und Mike Skinner alias The Streets hätte man gern in den eigenen, sommerlich leeren Hallen gesehen – Kampnagel fülle seine Hallen mit der Substanz der privaten Klubbetreiber, findet Clubkombinat-Präsident und Knust-Betreiber Karsten Schölermann. Und vermutet unlauteren Wettbewerb: Matthias von Hartz, Künstlerischer Leiter des Sommerloch-Festivals, habe günstigere Konditionen bieten können als üblich. Der wiederum streitet ab: keine höheren Gagen – und veranstalten könne solche Konzerte ohnehin niemand anderes. Dass Mike Skinner also auf seiner Abschiedstour überhaupt einen Abstecher nach Hamburg macht: gut für (fast) alle?

Einen Raum für derartige Diskussionen findet man in den nächsten Wochen jedenfalls ebenso auf Kampnagel. Seit vier Jahren versteht sich das Internationale Sommerfestival nicht nur als Kunst- und Theoriefestival, sondern ausdrücklich auch als politische Plattform. Und deren Thema ist in diesem Jahr eben genau das – die Verfügungsgewalt und der Umgang mit Ressourcen, mit Gemeingütern, die einst allen offen standen und zunehmend zum Ziel privater Aneignung und Vermarktung werden: Wasser, Pflanzen, Informationen, Natur und Kultur.

Wie schwer es allerdings ist, sich gemeinsam vernünftig zu verhalten, kann man dabei auch ganz praktisch erfahren. Wer am Mittwoch noch von Autorin und Elinor Ostrom-Verlegerin Silke Helfrich und Wissenschaftler und Verleger Hervé Le Crosnier gelernt hat, was theoretisch mehr wird, wenn wir teilen, wird am Freitag und Samstag schon mit all den Problemen der Umsetzung konfrontiert: Im längst in Management ebenso wie in der Politik beliebten Simulationsspiel „Fishbanks“ betreibt eine – schon wieder: begrenzte – Teilnehmerzahl Fischflotten, legt Fangquoten ebenso fest wie Sanktionen als Reaktion auf Überfischung.

Um den Umgang mit Fischen geht es auch in der folgenden Woche beim Piratenabend „Parlez!“ des Hamburger Fundus Theaters und des Kunstkollektivs geheimagentur: Die Kindertheatergruppe hat 300 Kinder gebeten, somalischen Piraten Fragen zu stellen, die geheimagentur hat sie überbracht. In Hamburg sollen nun Kinder, Piraten und Publikum zum „Parlez“ angestiftet werden – das Recht, vor dem Piraten-Rat angehört zu werden – und Piraten-Spektakel und Piraten-Realität an den Grenzen des Rechts aufeinander treffen.

Ebenfalls jede Menge gemeinsame Erfahrungen versprechen die beiden Ausflüge, die die Barmbeker Kulturfabrik dieses Jahr macht: Auf St. Pauli ist zwischen Großer Freiheit und Talstraße mit dem „Gartendeck“ ein temporärer urbaner Garten entstanden, in dem in mobilen Beeten gemeinsam Kräuter und Gemüse angebaut, gepflegt und geerntet werden und Brachland in produktives Grün ohne kommerzielle Interessen verwandelt wird. Ebenfalls im Grünen wird der gemeinsame Umgang mit dem gesanglichen Erbe geprobt: Vor der Freilichtbühne im Stadtpark versammelt man sich auch in diesem Jahr zur Orchesterkaraoke: Singen vor großem Publikum ohne all die leeren Versprechungen des Castingszeitalters.

■ Hamburg: Do, 11. 8. bis So, 28. 8., Kampnagel, Jarrestraße 20, www.kampnagel.de; Orchesterkaraoke am Fr, 19. 8., 20 Uhr, Freilichtbühne im Stadtpark, Saarlandstraße; Gartendeck auf St. Pauli, Große Freiheit 62 – 68, täglich 12 bis 21 Uhr, urbanes Gärtnern für Einsteiger Sa 15 bis 18 Uhr, www.gartendeck.de