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Archiv-Artikel

Auf der Pirsch

BADMINTON Mit Juliane Schenk und Marc Zwiebler haben sich zwei Deutsche in der erweiterten Weltspitze etabliert. Bei der WM in London kämpfen sie um Olympiatickets

„Wir sind hier, um eine Weltmeisterschaft zu spielen, nicht zum Sightseeing“

SPORTDIREKTOR MARTIN KRANITZ

VON ANDREAS RÜTTENAUER

Die gute Nachricht vorweg: Den Spielerinnen und Spielern, die der Deutsche Badmintonverband zur WM in London geschickt hat, geht es gut. „Absolut nichts“ habe man von den Krawallen mitbekommen, sagte Martin Kranitz, der Sportdirektor des DBV der taz. Das Hotel, in dem das Team untergebracht ist, liegt nur 200 Meter entfernt von der Wembley Arena und weit weg von den Straßen, in denen gekämpft und geplündert wird. Die WM-Veranstalter hätten, so Kranitz, die Teams über die Lage in der Stadt informiert und mitgeteilt, dass sie ihn engem Kontakt zu den Polizeibehörden stehen. Alles bestens also.

Besser zumindest als im indischen Hyderabad, wo die WM 2009 stattgefunden hat. Damals hatten schwerbewaffnete Polizisten die Halle weiträumig abgeriegelt und zu einer regelrechten Festung ausgebaut, nachdem eine pakistanische Terrorgruppe mit einem Anschlag gedroht hatte. Derartige Maßnahmen sind in diesen Tagen nicht vorgesehen. Dass seine Athleten sich in ihren freien Stunden aufmachen in die Stadt und vielleicht doch in Schlachtennähe geraten könnten, das glaubt Kranitz nicht. „Wir sind hier, um eine WM zu spielen, nicht zum Sightseeing.“

Die besten Deutschen wollen 2012 wieder nach London reisen. Ihr Ziel ist die Qualifikation für die Olympischen Spiele. Dafür sammeln sie seit Wochen Weltranglistenpunkte beinahe überall auf der Welt. Marc Zwiebler, Deutschlands männliche Nummer eins, klagte vor der WM über Müdigkeit und Schweißausbrüche, sprach sogar von Depressionen. Es waren extreme Auswirkungen eines Jetlags. Kurz vor der WM spielte Zwiebler noch in den USA und in Kanada. „Das ist normal“, meint Sportdirektor Kranitz dazu. „Den anderen Spitzenathleten geht es doch auch nicht anders.“ Schonung gibt es für Zwiebler nicht, dessen Mindestziel bei der WM die Qualifikation für das Achtelfinale war. Das hatte er auch bei der WM 2010 in erreicht. Er hat es nicht geschafft. Gegen den ungesetzten Spanier Spanier Pablo Abian verlor er mit 17:21, 21:7, 22:24. Ein Rückschlag für den 27-jährigen Linkshänder. Er ist einer jener deutschen Spieler, die sich in den vergangenen Jahren immer näher an die Weltelite herangepirscht haben. Zwiebler schaffte es in diesem Jahr auf Platz elf der Weltrangliste. Einen „langsamen, aber stetigen Prozess“ nennt Kranitz diese Annäherung an die Elite.

Am weitesten in dieser Hinsicht ist Juliane Schenk. Sie steht momentan auf Platz zehn der Weltrangliste. Kranitz traut Schenk den ganz großen Coup zu, „vielleicht schon bei dieser WM“. Sie bringe alles mit, um auch einmal ein ganz großes Turnier zu gewinnen. Kranitz meint: „Sie kann alle schlagen.“ Was ihr noch fehlt? „Der Glaube, dass sie dies auch wirklich schaffen kann.“ Bei den ganz großen Events eine Woche konstant gut zu spielen, ist der 28-jährigen Sportsoldatin nur selten gelungen. Den Siegen gegen Wang Shixian, die Nummer eins der Welt, sowie gegen deren chinesische Landsfrau Wang Yihan, die Nummer zwei, die sie in dieser Saison erringen konnte, folgten meist bittere Niederlagen. Das WM-Achtelfinale hat sie nach einem Kraftakt gegen Lindaweni Fanetri (Indonesien) mit 22:20, 18:21, 21:11 schon erreicht. Heute trifft sie auf die an Nummer vier gesetzte Yanjao Jiang. Gegen die Chinesin muss sie zeigen, ob sie wirklich reif ist für den ganz großen Coup.

Ein solcher würde dem Verband sicher guttun. Genauso gut wie ein gutes Abschneiden bei den Olympischen Spielen. Nur das garantiert eine üppige Förderung aus Bundesmitteln. Und so steht das zentralistische Trainingsmodell des DBV seit dem Rückzug der ehemaligen WM-Dritten Huaiwen Xu bei allen großen Turnieren auf dem Prüfstand. Acht Trainer beschäftigt der Verband. Vier für die Frauen in Mülheim an der Ruhr, vier für die Männer in Saarbrücken.

Wer in Deutschland auf Leistungsniveau Badminton spielen will, muss seinen Lebensmittelpunkt an eines der Leistungszentren verlegen. Vorbild für dieses Modell sind die Kaderschmieden der führenden Badmintonnationen China und Malaysia. „So weit sind wir allerdings noch nicht“, sagt Kranitz. Es ist eben ein langsamer Prozess.