Bitterböse, zuckersüß

VERBOTENE LIEBE „Lulu und Jimi“ (22.05 Uhr, Arte) ist das Remake eines Lynch-Remakes

Mit Remakes von Filmen verhält es sich wie mit Coverversionen von Songs. Natürlich muss das Werk für sich alleine funktionieren, aber ein Gutteil der Spannung ergibt sich immer auch aus der Frage, wie nahe das Remake an der Vorlage bleibt. So hat Gus Van Sant einst Hitchcocks „Psycho“, angefangen beim Saul-Bass-Vorspann, Szene für Szene, Einstellung für Einstellung – fast – eins zu eins nachgedreht, nun in Farbe. Ganz anders Jim Jarmusch mit seinem „Ghost Dog“ betitelten, sehr freien Remake von Jean-Pierre Melvilles „Le Samouraï“. Den eleganten Beau Alain Delon durch den mopsigen Schwarzen Forest Whitaker zu ersetzen – darauf muss man erst mal kommen.

Das gilt auch für die Idee, David Lynchs „Wild at Heart“ (1990) aus den Weiten der US-Südstaaten in die Enge des xenophoben Wirtschaftswunder-Deutschlands zu verpflanzen, nach Schweinfurt und Helmstadt. Aus der Geschichte von Sailor und Lula wird die von „Lulu und Jimi“ – einem schwarzen Beau. Die virtuose Hommage an eine virtuose Hommage, denn bereits „Wild at Heart“ sollte ja an Victor Flemings „The Wizard of Oz“ angelehnt sein.

Verantwortlich dafür ist Oskar Roehler, der wagemutigste aller zeitgenössischen deutschen Filmregisseure. „Wild at Heart“ selbst war schon Film gewordenes Zitat, so zahlreich waren die popkulturellen Verweise. Nicht zuletzt auf die Fünfziger: Brandos Schlangenlederjacke, der Heckflossen-Cadillac, die Musik: Sailor lässt sich, nachdem er in einer Bar einen aufdringlichen Verehrer Lulas vermöbelt hat, das Mikrofon zuwerfen und singt für Lula Elvis’ „Love Me“. Bei Oskar Roehler, der gleich die ganze Filmhandlung ins Jahr 1959 verlegt, singt Jimi für Lulu Ben E. Kings „Stand by Me“ (von 1961).

Einer der schönsten unbekannten deutschen Kinofilme der vergangenen Jahre. Bitterböse, zuckersüß, herrlich geschmacklos – wie die Vorlage. Aber anders. JENS MÜLLER