Zweifelhafte Amtshilfe

Hannovers Polizeipräsident will russische Polizisten gegenüber Spätaussiedlern einsetzen. Das hat ihm deutliche Kritik eingebracht – aber auch die Unterstützung von Niedersachsens Innenminister

VON FRIEDERIKE GRÄFF

Die Idee des Hannoverschen Polizeipräsidenten Hans-Dieter Klosa, russische Polizisten gegenüber Spätaussiedlern einzusetzen, hat für deutliche Kritik gesorgt. Das hindert den niedersächsischen Innenminister Uwe Schünemann (CDU) jedoch nicht, sich hinter den Vorschlag zu stellen. „Der Innenminister begrüßt die Idee“, sagte sein Sprecher Klaus Engemann gestern. „Schließlich war er bei der Absprache des Austauschs dabei.“ Zudem dürfe man bestehende Probleme „nicht einfach ignorieren“. Das aber tue Christoph Bergner, der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen, wenn er behaupte, es gebe keine erhöhte Kriminalität unter Spätaussiedlern.

Ausgangspunkt der Diskussion zwischen Bergner und Klosa waren Äußerungen des Polizeipräsidenten gegenüber der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, dass „Freundlichkeit im Umgang mit Spätaussiedlern leider oft nicht zum Ziel“ führe. Daraufhin hatte der Beauftragte für nationale Minderheiten in einem Briefwechsel mit Klosa versucht, diesen von seinem Vorhaben abzuhalten. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz Mitte dieser Woche hatte Klosa den Gast dann unangekündigt mit neuen Zahlen zur Straffälligkeit von Spätaussiedlern konfrontiert.

Nach einer Anweisung des niedersächsischen Innenministeriums von Anfang des Jahres ist es für die Polizei nicht länger freiwillig, sondern verpflichtend, in der Kriminalstatistik einzutragen, ob es sich bei den Tatverdächtigen um Spätaussiedler handelt. Klosa zufolge ist zwar „jede Form von Pauschalurteil“ unzulässig. Dennoch forderte er Konsequenzen aus der hauseigenen Statistik. Der zufolge ist der Anteil tatverdächtiger Spätaussiedler mit 6,5 Prozent fast doppelt so hoch wie ihr Bevölkerungsanteil von 3,8 Prozent. Deutlich erhöht sei mit 15,9 Prozent auch ihr Anteil beim Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Zudem stünden sie auffällig oft unter Alkoholeinfluss.

Christoph Bergner hält diese Zahlen für zumindest „überprüfungswürdig“ und verweist auf den Bericht zur Inneren Sicherheit in Niedersachsen 2002–2006. Dort heißt es, die Tatverdächtigenbelastungsziffer von Spätaussiedlern in Hannover und Wolfsburg liege „insgesamt nicht über denen der deutschen Vergleichsgruppe“. Dies sei um so bemerkenswerter, da die Statistik durch die Überrepräsentiertheit von jungen Männern verzerrt sei.

Für den Beauftragten für Aussiedlerfragen zeugt das Vorhaben des Polizeipräsidenten von einem „problematischen Integrationsverständnis“. Schließlich sollten die Spätaussiedler das deutsche Rechtssystem akzeptieren, so wie es auch durch Polizisten repräsentiert werde. Gerade bei den Spätaussiedlern, in deren Familien oft das Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen tradiert werde, müsse Vertrauen geschaffen werden. Bergner betont dabei, dass er „die Probleme nicht gering“ schätzen wolle. Hilfreicher als der Export von Polizisten sei aber die Zusammenarbeit mit der Bund-Länder Arbeitsgruppe, die sich mit Gewaltkriminalität von Jugendlichen, mit besonderem Augenmerk auf Jugendliche mit Migrationshintergrund befasse.

Im Hannoverschen Polizeipräsidium bleibt man derweil bei seinen Plänen. Sprecher Wittke betont jedoch, dass es sich bislang lediglich um Absichtserklärungen der Polizeiführung von Hannover und deren russischer Partnerstadt Iwanowo handle. Gedacht sei lediglich an einen Austausch von zwei oder drei Polizisten, die in russischer Uniform und ohne Vollzugsbefugnisse etwa drei Monate in der Region Hannover mit deutschen Kollegen unterwegs sein sollten.

Unterdessen hat die Gesellschaft für bedrohte Völker Strafanzeige gegen den Polizeipräsidenten gestellt – wegen Volksverhetzung. Gegen die Zurückweisung durch die Staatsanwaltschaft Hannover hat sie bereits Einspruch eingelegt.